Schulchronik Wörpedahl 1933 - 1937 (Wörpedahl/Mullerdorp)

 

1.I.33. Am 1. Jan. 33 wurde der Lehrer Clasen auftragsweise mit der Verwaltung der Schule zu Wörpedahl beauftragt.

30.I.33. An diesem Tage übernahm A. Hitler das Amt des Reichskanzlers. Bei der hiesigen Einwohnerschaft war die Genugtuung über den bevorstehenden Umschwung in der Leitung des Staatsschiffes ersichtlich.

Eingetragene Mitglieder der N.S.D.A.P. waren im Ort an diesem Tage nicht vorhanden. In den folgenden Monaten wurden die Herrn H. Thielking (3) Wörpedahl u. Joh. Otten Nr. 10 Nordwede „Pg“, allerlei Geraune im Ort verursachend. Herr Thielking wird Blockwart des Blocks Wörpedahl, (Weyermoor und Nordwede mit umfassend) Später wurde Herr Thielking Blockwart der N.S.V. Dann übernahm Herr Joh. Monsees (Wörpedahl 5) diesen Posten, weil Herr Thielking verärgert diesen Posten niedergelegt hatte. Herr Joh. Monsees wurde außerdem noch Bauernführer.

Im                    wurden die bereits erwähnten Umbauten an dem Schulhaus ausgeführt. Beim Abreißen der Mauer stellte es sich heraus, dass einzelne Ständer des Fachwerkes durch und durch morsch und verrottet waren. Man wunderte sich allgemein, dass das schwere Dach noch gehalten worden war. Vorweg möchte ich sagen, dass die Dorfleute sich diesmal über die Verteilung + Ausführung der Hand- + Spanndienste nicht in die Haare geraten sind. Die Gesamtkosten betrugen                        RM. Davon hatte die Schulgemeinde               RM aufzubringen. Diese Summe wurde aufgebracht: durch umgerechnete Hand- u. Spanndienste durch eine Bezahlung von          RM. Über den Umbau lässt sich viele Kritik üben. Es lässt sich nicht sagen, dass der Umbau nach allen Richtungen hin auf die mit denselben Mitteln zu erweisende größmöglichste Zweckmäßigkeit hin durchdacht worden ist. Das neue Schlafzimmer wird höchstwahrscheinlich unbewohnbar bleiben, weil es nicht zu heizen ist. Außerdem sind die neuen Fenster in dieser Kammer und die des danebenliegenden Zimmers in spätestens 4 Jahren vollständig durchgerottet. Ursache hierzu ist die Feuchtigkeit des Untergrundes (3,50 m Moor). Dann sind die Rahmen aus Deutschem Kiefernholz gemacht, obwohl kein Bauer der Umgegend wegen der Feuchtigkeit dies Holz nimmt. Die Herren vom Schulvorstand zucken aber nur mit der Achsel, als sie hierauf aufmerksam gemacht wurden. Dann glaubte man es verantworten zu können, dass die Steine des tiefen Fundamentes für die Innenwand wieder verwandt wurden, obwohl keinem Bauern solch ein Streich passieren könnte. Die Folge wird natürlich ewig nasse Innenwände sein. Außerdem sind die Fensterbänke nicht fachmännisch richtig abgedichtet. Die Fußböden sind um Xten Male „gekeilt“ worden, anstatt die Bretter abzunehmen und je Zimmer 3 Rippen mehr unterzulegen. Sämtliche Türen sollten nachgesehen werden. Nicht eine wurde abgedichtet. Viel Kopfschmerzen verursachte dem Vorstand, ob man die Kosten des Anstreichens der Dielenwände übernehmen könne (22 RM). Das Streichen des Küchenfensters und des Abortes musste ich selbst bezahlen (10 RM). Für eine Wohnstube und ein Schlafzimmer mussten 2 Öfen beschafft werden. Bewilligt wurden 45 RM. Herr Thielking und ich fuhren zum Ofenhändler Kohlmann, Bremen, Schüsselkorb. Damit ich nicht einen richtig gehenden Torfofen aufgehalst bekam, gab ich noch 25 RM zu. Sämtliche Herren des Schulvorstandes haben in ihren Häusern die Torföfen von der Sorte wie man sie mir aufhalsen wollte, seit Jahren abgeschafft, weil diese Dinger den Frauen zuviel Arbeit und Schmutz bereiten. Da mein Vorgänger sich genug mit dem Vorstand gestritten hat, habe ich stillgeschwiegen. Schließlich bezahle ich ja nur 15 RM Miete.

Ostern 1933. Schülerzahl: Knaben:                              Mädchen
Schulentlassen: Kn.:                                                    Mäd.               Neuaufgenommen
Knaben:                                                                      Mädchen:

6. Mai 1933. An diesem Tage wurde Herr Clasen mit der Verwaltung der Schulstelle Hüttenbusch, Ortsteil Fünfhausen, beauftragt. Ursache war, dass Herr Clasen sich in der Schulgemeinde nicht recht einleben konnte. Darum war die Zustimmung des Schulvorstands zur endgültigen Anstellung nicht zu gewinnen.

7. Mai 1933. An diesem Tage übernahm ich, der Schulamtsbewerber August Schröder, die Verwaltung der Schule auftragsweise. Ich wurde am 14. September 1902 in Ostendorf bei Worpswede, geboren. In den Jahren 1909 bis 1913 war ich in Amerika. Am 13. Febr. 1923 bestand ich am Seminar zu Bederkesa die Entlassungsprüfung. Da die Barmittel meiner Mutter erschöpft waren, ich auch keine Absicht hatte, einen Kontorstuhl zu drücken, sah ich keine andere Möglichkeit für mich und meine Mutter den Lebensunterhalt zu verdienen, als ins Ausland zu gehen. Am 3. Mai schon war ich in New York bei der M.H. Renken Dairy Co. als „Route Salesmann“ (Milchmann) angestellt. Nach 6 Monaten ging ich zur mächtig sich ausdehnenden Konkurrenz, die leider nach ¾ Jahr wieder abbauen musste. Dann folgte eine Wartezeit, die ich mit Fahrten auf Lloyd- u. Hapag-Dampfern als Heizer und „Sturard“ ausfüllte. Es folgte eine Anstellung bei der Straßenbahn in New York. Nacheinander war ich Schaffner, Fahrer, Einmannwagenfahrer, Inspektor. Dann ging ich ins Kontor und wurde „investigator“ u. Schadensregulierer bei derselben Gesellschaft. Außerdem sah ich mir 6 Monate lang den Kontinent an, um dann über Norwegen zur rufenden Mutter. Insgesamt habe ich den Ozean 10 x überquert, 6 x als zahlender Gast. – Nach einer „Eingewöhnungszeit“ von 3 Monaten übernahm ich nacheinander Schulstellen in Dorum, Basdahl, Lamstedt. Leider gehörte ich zu den 300 Junglehrern, die Ostern 1932 vom „Ausgleich“ der Junglehrer betroffen wurden. Ich wurde nach dem Osten versetzt, nach dem Regierungsbezirk Gumbinnen, an die altstädtische Gemeindeschule in der Stadt Gumbinnen. Im Herbst 1932 mußte ich die einklassige Schule mit 69 Kindern in Glowken, Kr. Goldap, Masuren übernehmen. Nach mehrfachen Versuchen, persönlichen Vorsprachen beim Kultusminister gelang es mir mit noch 52 anderen Kollegen zusammen, nach den Heimatbezirken zurückversetzt zu werden. Die Überweisung nach dem Osten hatte sich bei uns dermaßen ausgewirkt, dass es uns nur unter unerhörten Opfern möglich gewesen wäre, in Ostpreußen weiterhin zu bleiben. Ich hatte das unerwartete Glück, in der engsten Heimat angestellt zu werden.

Am 7. Mai 1933 trat ich den Dienst in Wörpedahl an.

1. Mai 1933. Der 1. Mai ist zum Feiertag der nationalen Arbeit erklärt worden. In der Schule wurde der neue Feiertag und seine zukünftige Bedeutung durch eine entsprechende Feier gewürdigt. In Worpswede wurde der Tag besonders gefeiert. Es war festzustellen, dass die Einwohnerschaft des Ortes die Bedeutung des Tages begriffen hatte und entsprechend sich beteiligte. Dasselbe lässt sich von der ländlichen Arbeiterschaft sagen. Es fehlten beinahe ganz die Bauern der umliegenden Orte.

3. Mai 33. Der Minister verfügte, dass vom heutigen Tage ab alle auf Grund kommunister u. sozialistischer Vorschläge gewählte Vertreter in den Elternbeiräten auszuscheiden haben. Dies gilt ebenfalls von Vertretern der Dorfbewohnerschaft in den Gemeindevorständen, die auf Grund der vorgenannten Vorschläge gewählt wurden. Da es derartige Vertreter in der Gemeinde nicht gibt, findet keine Anhörung statt.

29. April 33. Von heute ab ist es den Schülern wieder gestattet, nationale Abzeichen wieder in der Schule zu tragen. Ebenfalls dürfen Hohenzollernbilder wieder aufgehängt werden. In unserem Unterrichtsraum hingen bis jetzt 3 große Bilder „ohne Rahmen“ der Lloydschiffe und ein Lutherbild. Die Schiffsbilder habe ich auf den Boden gebracht, da sie das Klassen-zimmer nur verunzierten.

27. Mai 33. Mit dem 1. April d. J. ist eine Neuregelung der staatlichen Schulaufsicht in Kraft getreten (Amtl. Sch. bl. 1933 S. 65)

16. Juni 33. Heute fand im Gebiete des Deutschen Reiches mit Ausnahme des Saargebietes eine allgemeine Volks- Berufs- u. Betriebszählung statt. Ergebnis für die Schulgemeinde Wörpedahl:
Wörpedahl:
Weyermoor:
Nordwede:

Für die Betriebszählung ist diesmal ausdrücklichst angeordnet, dass Flächenangaben nur in Hektar + Ar gemacht werden. Es erschienen bei mir zwei Einwohner der Gemeinde Weyermoor, um sich bei der Aufstellung ihrer Angaben helfen zu lassen.

22. Juni 33. Die Kreise Osterholz + Blumenthal sind zusammengelegt worden. Kreisort ist wegen seiner Mittelgrundlage Osterholz.

In Lesum fand eine Tagung der gesamten Lehrerschaft des neuen Kreises statt: Ein Volk, eine Schule, eine Erzieherschaft.

Über die Stellung der Lehrerschaft u. der Schüler ist im Augenblick nichts endgültiges zu sagen. Es ist nötig, Abstand zu den Dingen + Geschehnissen der neuen Zeit zu gewinnen.

24. Juni 33. Aus den Reichsjugendwettkämpfen, die jährlich im Laufe des Sommers abgehalten wurde, ist der „Tag der Jugend“ geworden, der an demselben Tag in ganz Deutschland gefeiert werden muß, um die Einheit und Zusammengehörigkeit der Jugend im neuen Deutschland herauszustellen. Die Wettkämpfe fanden auf dem Schützenplatz in Wörpedorf statt. 900 Kinder nahmen teil. Der Landwirt Joh. Mahnken in Wörpedahl Nr. 7 brachte Kinder der Schule mit seinem Gespann zum Festplatz. Auf dem Spielplatz der Schule in Grasberg war allgemeiner Sammelplatz. Von hier aus bewegte sich die lange Schlange der Schulkinder nach dem Festplatz. Vorne weg marschierten die …            der Schule Rautendorf. Das Wetter war den Kindern günstig. Die Wettkämpfe wickelten sich ganz reibungslos ab, sogar die Freiübungen klappten einigermaßen. Allerdings war von der Bevölkerung der umliegenden Ortschaften sehr wenig zu bemerken.

15. Juni 34. Es wurde vom Minister verfügt, dass in Zukunft Bilder von Persönlichkeiten, die am Novembersturz 1918 beteiligt waren, nicht mehr in Unterrichtsräumen hängen sollen. In unserem Klassenraum sind derartige Bilder nie bemerkt worden. „Solche Bilder kaufen wir nur, wenn es ausdrücklichst von oben herab angeordnet wird.“ So der Gemeindevorstand (Schulvorstand.) In unserer Gemeinde kennen die Leute eben nur Rechte, aber keine Pflich-ten, vor allen Dingen keine „Pflichten“, die aus einer spontanen Gefühlsäußerung heraus entstehen. So wird es wohl auch noch lange dauern, bis ein Bild von Ad. Hitler oder gar Fahnenstangen angeschafft werden.

10. Juli 34. Bis heute war eine dienstliche Erklärung folgenden Inhalts von dem Herrn Schulrat einzusenden. „Ich versichere hiermit dienstlich: mir sind trotz sorgfältiger Prüfung keine Umstände bekannt, welche die Annahmen rechtfertigen könnten, dass ich von nichtarischen Eltern oder Großeltern abstamme; insbesondere hat keiner meiner Eltern- oder Großelternteile zu irgend einer Zeit der jüdischen Religion angehört. Ich bin mir bewusst, dass ich mich dienststrafrechtlicher Verfolgung mit dem Ziele auf Dienstentlassung aussetzte, wenn diese Erklärung nicht der Wahrheit entspricht.“

30. Juni 34. Mit dem heutigen Tage hörte der Lehrerverein des Amtsbz. Lilienthal auf. Der Lehrerverein (überhaupt alle L-vereine) geht im N.S.L.B. auf. Die Belange der Volksschullehrerschaft werden von der Fachschaft 4 vertreten. Leiter der Fachschaft unseres Bezirkes wird Herr Schulleiter Freise in Falkenberg.

22.Juli 34. Ein Erlass des Ministers bringt die Erwartung zum Ausdruck, dass die deutsche Beamtenschaft in der Anwendung des „Hitler-Grusses“, oder des deutschen Grusses dem deutschen Volke vorangehe. In einem ähnlichen Erlaß über den Hitlergruß beim Singen des Liedes der deutschen und des Horst-Wesselliedes wird angeführt: Wer nicht in den Verdacht kommen will, sich bewusst ablehnend zu verhalten, wird daher den Hitlergruß erweisen.

3. Juli 33. Kreislehrerräte bzw. Bezirkslehrerräte sind aufgelöst (17 c).

11. Aug. 34. Eine Verfassungsfeier findet in diesem Jahr nicht statt. Eine Beflaggung oder Ausschmückung der Gebäude ist verboten.

20. Juli 33. Für den Geschichtsunterricht sind neue Richtlinien herausgegeben worden. 204.

12. August. Die Schulaufsichtskreise des Bezirkes werden neu abgegrenzt. Der Sch.-A-Bez. Osterholz umfasst den politischen Kreis Osterholz. Dienstsitz Osterholz. Herr Beginski ist augenblicklich Schulrat.

26. Aug. 33. Ein Erlaß regelt die Beziehungen der Schule zur Hitlerjugend. S. 215.

24. Aug. 33. Ein Erlaß verlangt Säuberung der Schülerbüchereien von ungeeigneten Büchern. (218) „Solche“ Bücher gibt es bei uns nicht.

13. Sept. 33. Ein Erlaß verlangt die sofortige Aufnahme von Stoffen über Vererbungslehre und Rassenkunde in den Schulen. 227. Ich begrüße dies sehr, da gerade unsere Schule im Augenblick Anschauungsstoffe bietet für die Notwendigkeit der neuen Ansichten.

August 33. Der Schulvorstand genehmigte den Ankauf eines neuen Küchenherdes. Er wurde beschafft von der Firma Nik. Bullwinkel in Worpswede für 70 RM. Der alte Herd war ein wahres Ungetüm, geeignet für eine kleine Hotelküche. Mit 6 Mann haben wir lange arbeiten müssen, bis er im Stall gebracht war. Die neue Anschaffung war sehr notwendig, denn der Herd „zog“ kein bisschen mehr. Es ist sehr bedauerlich, dass man bei bau der Schule nur sehr enge Schornsteine gebaut hat (sogen. „Wulfischen Röhren“). Bei Südwest, bzw. Südwind kann einem der Rauch aus der Küche treiben.

14. Nov. 33. (268) Ein Erlaß regelt erneut das Verhältnis von Schule und Hitlerjugend. Der Mittwoch + der Sonnabendnachmittag stehen der Hitlerjugend zur Verfügung. Sie sind aufgabenfrei.

16.12.33. Es wurde heute in entsprechender Weise in der letzten Stunde auf die Bedeutung des Freiheitskämpfers Diedrich Erhard, der am 26. Dez. 23 verstarb, hingewiesen.

Dez. 33. Auf die Bedeutung des überwältigenden Treuebekenntnisses des deutschen Volkes, bei der Volksabstimmung + Reichstagswahl am 12. Nov. 33 zum Ausdruck gebracht, wurde in der Schule hingewiesen.

Sept. 33. Am 11. Sept. wurde auf die Bedeutung der Türkenkriege bzw. der Entsetzung Wiens hingewiesen.

1. Okt. 33. Der Landrat Freiherr von Hodenberg ist versetzt. Der bisherige Kanzleivertreter (Bürodirektor) am Landratsamt in Harburg, Nottbohm, ist zum kom. Landrat ernannt worden.

Dez. 33. Anteilnahme der Schulgemeinde am Winterhilfswerk. Die Arbeitslosenunterstützung ist durch Maßnahmen der verschiedenen Regierungen in den letzten Jahren derart herabgesetzt worden, dass es den Arbeitslosen nicht mehr möglich ist, sich ohne große Härten und Entbehrungen durch die Wintermonate zu bringen. Deshalb ist durch Anregung Ad. Hitlers das „Winterhilfswerk“ des deutschen Volkes geschaffen worden. Zu Weihnachten ist das deutsche Volk nun aufgefordert worden, 5 Pfund schwere Weihnachtspakete zu stiften. Die Pakete konnten in der Schule oder im Hause des Blockwartes Thielking zu Wörpedahl abgeliefert werden. Es wurde gebeten, so viel Fettwaren einzupacken, als es den einzelnen Gebern möglich sei. In unserer Schulgemeinde sind       Pakete abgeliefert worden. Von diesen sind       im Orte geblieben. Die anderen Pakete sind zumeist an die Bedürftigen der Gemeinde Worpswede gegeben worden. Der Rest ging nach Grohn. Es war auch angeregt worden, dass jede Schulklasse ein mindestens 8 Pfund schweres Paket abzuliefern habe. Bei der Verkündigung dieser Nachricht erhub sich ein recht deutlich wahrnehmendes Protestgemurmel. Verständlich war mir dies Gebaren; denn ich glaube nicht, dass von den Eltern meiner Kinder ein Paket gepackt worden ist. Dies ist bei den meisten Eltern zu verstehen, geht es den Eltern, die augenblicklich Kinder zur Schule schicken wirtschaftlich stets knapp, was die Kinder natürlich fühlbar zu spüren bekommen. Außerdem sind die hiesigen Kleinbauern zumeist nicht recht auf die Arbeitslosen zu sprechen, ist ein derartiger Volksgenosse in ihren Augen ein Mensch, der nicht arbeitet, d. h., der nicht arbeiten will. Nach einigen Erklärungen und entsprechenden Hinweisen verstummte zwar der Widerspruch, aber ich glaube nicht, überzeugt zu haben. Nach einigem Nachrechnen ergab sich die Notwendigkeit, je Kind 15 Pf. einzusammeln. Die Kinder sind aber nicht zu bewegen gewesen, von ihren persönlichen Ersparnissen soviel abzugeben. Zusammen konnte ich 3,50 RM einsammeln. Außerdem wurden noch einige Wurstenden mitgebracht. Gleichfalls Bohnen, mehrere Pfund. Schließlich gab ich noch einige Groschen und das Porto zu, und das Paket konnte nach Grohn abgesandt werden.

18.12.33. Vom Herrn Minister werden die „Leitgedanken zur Schulordnung“, in denen unter anderem die Abgrenzung zwischen Hitlerjugend + Schule vollzogen ist, als verbindliche Richtlinien erklärt (1934: S. 29)

16. März 34. Um die verdienstvolle Arbeit des Jugendherbergsverbandes zu unterstützen, ist in allen Schule eine monatliche Pfennigsammlung einzuführen, rückwirkend ab 1. Jan. 1934.

März 34. Heute fand meine Prüfung zur endgültigen Anstellung statt. Die Herrn:
Dr. Becktötter, Schulrat Duart, (Kreis Verden) und Rektor Hennig, Farge waren erschienen. Herr Schulrat Baginski ist erkrankt, konnte daher nicht teilnehmen.

11. April 34. Der Herr Minister verfügt, dass der Hitlergruß an Schulen ohne Lehrerwechsel nur zu Beginn + zum Schluß des Unterrichtes zu erweisen ist.

17. April. Herr Schulrat Baginski ist gestorben. Ich verdanke Herrn Schulrat viele wertvolle Anregungen. Er hatte die Gabe, bei allen Sachen das Richtige zu erkennen und zum Ausdruck bringen zu können. Seine Fähigkeit, eine Form finden zu können, die wirklich kindestümlich zu nennen war, ist einzigartig zu nennen.

29. April 34. Die Schulräte führen in Zukunft die Amtsbezeichnung „Kreisschulrat“

Ostern 1934 wurden 3 Mädchen und 1 Knabe entlassen. Schülerzahl beträgt 34 Kinder. Neu aufgenommen wurden 3 Mädchen und 2 Knaben.

1. Mai 34. Für das gesamte Erziehungs-, Bildungs- und Unterrichtswesen des Reiches, sowie für die Aufgaben der Wissenschaft wird ein Reichsministerium für „Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung“ errichtet. -

23. Juni 34. Heute wurde in Worpswede auf dem Weidegrundstück des Bauern Nik. Böttjer das „Deutsche Jugendfest“ abgehalten. Meine Kinder hatten fleißig geübt, aber nur 3 Kinder konnten Preise mit nach Hause bringen. Es war ihnen nicht möglich, gegen die schwere Konkurrenz anzukommen. Die Freiübungen klappten leider überhaupt nicht. Das lag wohl daran, dass die Freiübungen an sich wenig ansprachen, dazu noch im letzten Augenblick geändert wurden.

1. Juli 34. Schulrat Stöpel in Plön/Holst. ist mit Wirkung vom 1. Juli 1934 ab mit der Verwaltung der Regierungs- und Schulratsstelle in Stade beauftragt worden.

26. Juli 34. Zu den bedeutungsvollsten Lehrmitteln gehört der Unterrichtsfilm. Er muß überall dort an die Stelle des Buches treten wo das bewegte Bild eindringlicher als alles andere zum Kinde spricht. Es ist daher Wille des Reichsministers für Wissenschaft, Erziehung und Volksbildung, dass dem Film ohne Verzögerung in der Schule die Stelle geschaffen wird, die ihm gebührt. Zur Leitung und einheitlichen Durchführung des Vorhabens ist d. Reichsstelle für den Unterrichtsfilm geschaffen worden. Sie hat die Aufgabe, die deutschen Schulen mit Filmgeräten und Filmen zu versorgen. Um an d. Erreichung dieses Zieles mitzuhelfen, hat jeder Schüler einen vierteljährlichen Lernmittelbeitrag zu entrichten. Kinderreiche Familien werden entsprechend berücksichtigt, ebenso mittellose. (Amt. Sch-blatt 24 S. 211.)

6. August 34. Eine weitere Festlegung des Verhältnisses Schule-Hitlerjugend bringt d. min. Erlaß vom 1. Aug. 34. Amt. Sch-blatt S. 223. Für die Angehörigen d. H. J. (Jungvolk) ist der Sonnabend schulfrei, der Mittwochnachmittag aufgaben frei. Der Stundenplan ist entsprechend umzuändern. Für die Kinder, die noch nicht Mitglieder der H. J. sind, wird ein „nationalpolitischer Unterricht“ eingerichtet, der sonnabends in zwei Stunden erteilt wird. Für diesen Unterricht ist ein besonderer Plan einzurichten. Die übrigen 3 Stunden des Sonnabends dienen den Leibesübungen, der Musik und dem Zeichenunterricht.

30. August. Um der Reichsstelle für den Unterrichtsfilm die planmäßige Erfüllung ihrer Aufgabe zu ermöglichen, ist eine Bestandsaufnahme der in den Schulen vorhandenen Filme, etc, notwendig. Die Bestandsaufnahme ist bei uns recht schnell gemacht, es sind natürlich derartige Geräte nicht vorhanden.

26. Sept. Auf Wunsch des Ministers ist in der Schule in der letzten Unterrichtsstunde des Künders des Dritten Reiches, Hermann Löns, gedacht worden.

Vom 17. bis 23. Sept. ist eine Feuerschutzwoche eingerichtet worden. Die Schulkinder waren eingeladen worden, bei dem Feuerwehrhaus in Worpswede die verschiedenen Feuerlöschgeräte und ihre Arbeitsweise und Wirkungsweise genauer zu besichtigen. Unsere Schulkinder waren vollzählig beim „Spritzenhaus“ versammelt und haben eine abwechslungsreiche Stunde erlebt. Manche d. h. sehr viele sind „naß“ wieder nach Hause gepilgert.

7. Sept. 34. Ein langgehegter Wunsch der Lehrerschaft wird endlich in Erfüllung gehen. In Zukunft wird es nur noch Schreibhefte einheitlichen Formats und Aussehens geben. (Amt. Sch-blatt S. 265.)

26. Sept. 34. Im Auftrage des Landesleiters der deutschen Front im Saargebiet erscheint ein Saar- „Abstimmungskalender“. Er soll als eines der Hilfsmittel zur ständigen Wachhaltung der Anteilnahme des deutschen Volkes an dem Abstimmungskampf im Saargebiet dienen. Der Minister erwartet, dass für alle Schulklassen ein Stück des Kalenders erworben wird. Leider konnten wir keinen Kalender bekommen, da sie sofort vergriffen waren.

6. Okt. 34. Die Elternbeiräte bisheriger Art ihren Sinn und ihre Aufgaben verfehlt haben sie werden darum mit sofortiger Wirkung aufgehoben. Zur Verwirklichung der Gesamtverantwortlichkeit baut der national-soz. Staat eine neue Einrichtung, in der einheitliches Erziehungswollen aller Beteiligten hergestellt und zweckdienlich ausgeübt werden kann. Er schafft Schulgemeinden und beruft Jugendwalter. Die Jugendwalter müssen von den Ortsgruppen-leitern der N.S.D.A.P. bestätigt werden. Zu Jugendwaltern habe ich Herrn          Kück, Nordwede 11, und Frau Viohl, Weyermoor, ernannt.

10. Nov. 34. Durch eine Schulfeier wurde Schillers Bedeutung für die deutsche Jugend den Kindern klargemacht und veranschaulicht.

1. Dez. 34. Der Herr Minister hat den Mittelschulrektor Fischer aus Herford ab 1. Dez. 34 mit der Verwaltung des Schulaufsichtskreises Osterholz beauftragt.

Es hat sich herausgestellt, dass die Einziehung des Lernmittelbeitrages für den Unterrichtsfilm auf Schwierigkeiten gestoßen ist. Fortwährendes Mahnen ist notwendig, mit großer Verspätung erst kann der Betrag abgeschickt werden. Die Erziehungsberechtigten sind noch immer, trotz Aufklärung in der „Wümmezeitung“ über den Sinn der Einrichtung nicht unterrichtet. Sie führen auch an, dass sie für die Einrichtung zahlen müssen, wogegen die nächsten Generationen nur den Nutzen haben werden.

An dieser Stelle ist der Zeitungsausschnitt aufgeklebt: Worpswede. Am Volkstrauertag…

Dass eine kommende Zeit andere Aufgaben hat, bemerkt niemand. Außerdem wird geltend gemacht, dass durch die Art der Zahlung die „Kinderreichen“ getroffen werden, die anderen jedoch billig davon kommen. Die Gemeinde müsse also den Betrag aufbringen. Da der Vorsteher derselben Meinung ist, wird die Summe in Zukunft von der Gemeindekasse gezahlt werden.

Am 13. Januar 1935 fand im „Saargebiet“ die Abstimmung über das zukünftige Schicksal des Landes statt. Das Ergebnis wird mit Befriedigung aufgenommen.

Am 5. Februar hat der Herr Regierungspräsident in Stade Richtlinien und Gesichtspunkte aufgestellt, nach denen in Zukunft die Schulgemeinde geführt werden soll. (S. 40. Nr. 7 des Schulblattes.)

Am 8. Februar ist ein Bild des Führers gekauft worden.

Am 1. Mai ist das Gesetzt über die Aufhebung von Schulvorständen --- usw. veröffentlicht worden. Ich begrüße die Schaffung des Amtes eines Ortschulvorstandes mit Beiräten. Die Arbeiten des Schulvorstandes in dieser Schulgemeinde haben leider seit Jahren für die Schule nichts Gutes gebracht. -

22. Juni 35. Heute findet das Deutsche Jugendfest" statt. Zu begrüßen ist der Fortfall der Freiübungen, die noch nie „geklappt“ haben. Die Kinder sind natürlich begeistert, da die Aussichten einen Preis zu bekommen wegen der leichteren Bedingungen viel größer sind. Die besten Leistungen lieferten Betty Lächelt und Lily Wellbrock. Die Knaben waren von vornherein etwas misstrauisch. Einige haben dann auch enttäuscht. Dazu gehören Wilhelm Thielking und Hinrich Mahnken. Eine Glanzleistung vollbrachten die Gebrüder Mahnken aus Wörpedahl Nr. 7. Sie verschwanden im Laufe des Morgens aus nicht ganz unerklärlichen Gründen. Dabei hatte ich noch dafür gesorgt, dass sie einer Riege zugeteilt wurden. Im Elternhaus fehlt schon der natürliche Einfluß. Der Vater verlässt morgens um 5 das Haus und kehrt erst abends um 6 von Bremen zurück. Er arbeitet dort als Handlanger bei einem Bauunternehmer. So ist es vielleicht zu erklären, dass die Kinder gewohnt sind, ihre eigenen Wege zu gehen.

Es folgen mehrere Zeitungsausschnitte 
- Gemeindeverwaltung und Schule
- Das neue Gemeinderecht ab 1. April 1935,
  der sich teilweise auf der Rückseite fortsetzt
- Leistungen des Arbeitsdienstes
- Erstes Bauernthing des Kreises Osterholz
- Ist die Verlagerung der Schweinezucht nach dem
  Süden und Osten aufzuhalten.


Juli 35. Die Einrichtung: „Staatsjugendtag“ ist wieder aufgehoben worden. Ich begrüße dies, es war für mich recht schwer, für den nationalsozialistischen Unterricht den entsprechenden Stoff zu finden. Oder, ihn für die 4 Mädchen, die in den ersten 2 Morgenstunden erschienen, interessant zu gestalten. Man muß sich selbst einmal an manche neue Ideen und Ansichten gewöhnen. Mißt man z. B. den Gedanken vom Lebenskampf nicht zu viele Bedeutung zu? Ist es richtig, aus der Natur paralelen zum menschlichen Leben so heranzuziehen, wie es gemacht wird?

Das Interesse der Schulkinder für den Dienst im „Deutschen Jungvolk“ hält noch immer an. Das erklärt sich wohl daher, dass die Kinder dieser Schuldörfer den Dienst als Gelegenheit ansehen, vom engen Elternhof fortzukommen. Die Eltern machen oft bedenkliche Gesichter, man erzählt sich, mit Vorliebe so allerhand Dinge, die sich ereignen sollen. Wirklich bedenkliche Zwischenfälle sich noch nicht vorgekommen.

Es folgen weitere Zeitungsausschnitte
- An alle Volksgenossen im Gau Ost-Hannover
- Das Spendenaufkommen des Gaues Ost-Hannover
- Bekanntmachung: Betrifft: Die weiße Seerose
- Beflaggung der öffentlichen Gebäude
- Entschuldungsverfahren


1. Juli 35. Heute bin ich durch Verfügung des Herrn Regierungs-Präsidenten in Stade als Lehrer für den Schulverband Worpheim endgültig eingestellt worden.

29. August 1935. Heute wurde durch den Ortsschulvorsteher Lehrer Haundorf die erste Versammlung der Schulbeiräte nach der Schule in Südwede einberufen. Schulbeiräte sind:
G. Dreyer, Südwede, G. Viohl, Weyermoor, und ich. Die Lieferung des Schultorfes wurde vergeben.

29. September 1935. Große Freude herrschte in den Familien Schnaars Nr. 2 in Nordwede und Joh. Mahnken Wörpedahl Nr. 7. Durch Vermittlung der N.S.V. Fachschaft für Kinderlandverschickung wurden Johann Schn. und Johann Mahnken nach Gr. Berkel bei Hameln bzw. Stadt-Hannover geschickt.

1. Oktober 1935. Das Dach des Schulhauses wurde heute von einem Dachdecker ausgebessert. Es konnten aber nur die notwendigsten Ausbesserungen vorgenommen werden, weil eine gründliche Ausbesserung bei dem Zustande des Schiefers nicht angebracht ist.

15. Oktober 1935. Die Organisation des Luftschutzes wird nun auch im Kreise Osterholz begonnen. Schon seit einem Jahr wird für den Luftschutz unter der Bevölkerung geworben. Als Mitglieder sind beigetreten: In Nordwede: Wessels Nr.1. Schnaars Nr. 2. Wellbrock Nr. 6. Haar Nr. 7. Bunger Nr. 8, Cordes Nr. 9, Otten Nr. 10. In Wörpedahl gehören bis jetzt dazu Joh. Monsees Nr. 5 und ich. In Weyermoor sind dem Luftschutz beigetreten: Blockwart Viohl (7) Lindemann (5) Geffken (5) Konrad Kück (6) – Jetzt ist eine Einteilung nach dem bewährten „Blocksystem“ vorgenommen worden. Blockwart für Nordwede ist Gieschen (3), für Wörpedahl G. Wellbrock (6), für Weyermoor (3)G. Siedenburg. Untergruppenführer der Untergruppe Worpheim II bin ich. Wir sind der Gemeindegruppe Worpswede angeschlossen.

30. 10.35. Heute sind Heinrich Gieschen, Georg Wessels, Adele Schnaars nach dem Osten Deutschlands (Provinz Grenzmark) abgefahren, um dort 6 Wochen lang zu bleiben. Eins von den Kindern hätte beinahe zurückbleiben müssen, weil es keine Schuhe besaß. Als alle z-rückkamen, waren alle begeistert. Alle hatten sich sichtbar erholt.

Es folgen weitere Zeitungsausschnitte:
            - Schaffung eines Mosaikbildes zugunsten des Winterhilfswerks 1935/36
            - Hochmoorwiesen bester Beschaffenheit liefern Leistungsfutter
            - Amtleitertagung des Kreises Osterholz
            - Der 3. Reichsberufswettkampf der Landjugend
           


29. März 36. Heute fand eine Wahl neuer Reichstagsabgeordneter statt. Die Beteiligung war außerordentlich lebhaft. Es hat sich die Sitte eingebürgert, marschunfähige und kranke, sowie altersschwache Leute mit Kraftwagen zum Wahlplatz zu bringen. So ist zu verstehen, dass von 219 Wählern 215 wählen konnten. Davon stimmten nur 2 gegen die Regierung. Das Ergebnis wurde mit großer Genugtuung aufgenommen. Früher waren die Eingänge zu den Wahlplätzen nur mit Werbeplakaten der verschiedenen Parteien „geschmückt“. Diesmal war der Schmuck echt, Tannengrün begrüßte die eintretenden Wähler.

30. April 36. Heute konnte der Unterricht noch nicht wieder beginnen. Es fehlten 17 von 32 Kindern, sie waren alle an Masern erkrankt. Schlimmere Fälle traten nicht auf.

Schulentlassen wurden in diesem Jahr: Hinrich Mahnken aus Nordwede 12. Betty Lächelt aus Nordwede 11. Margarete Brose (Pflegekind) Nordwede 11. Johann Mahnken (Nordwede) Wörpedahl 7. Martin Geffken, Weyermoor 5.

Während der Osterferien erkrankten 17 Kinder an Masern. Die Kinder haben die Krankheit aber alle glücklich überstanden. Einen ernsteren Charakter hat die Krankheit nirgends angenommen. Der Arzt ist nur von 2 Familien geholt worden.

In diesem Jahr ist der Frühling ganz spät gekommen. Er konnte sich gegen die sehr heftigen Nachtfröste nicht durchsetzen. Bis heute (25.4.36) blüht im ganzen Dorf noch kein Ostbaum.

Das „Back“-Torfgraben wird immer seltener. Die Dorfleute haben einmal keinen Moor mehr; hinzupachten wollen sie sich auch keinen mehr. Sie müssten dann auch einen sehr weiten Weg nach Tarmstedt auf sich nehmen. Torf wird auch nur von folgenden Bauern gegraben, denen es finanziell schlecht geht, oder aber von Bauern, die einen letzten Rest verschwinden lassen wollen. (D. Menken – Wörpedahl.) Es bedauert niemand, dass das Torfstechen zum Verkauf aufhört.

Juli 36. Das Dach des Schulhauses ist von einem Schieferdachdecker nachgesehen und ausgebessert. Der Handwerker erklärte, dass eine größere Reparatur nicht möglich sei, ob-wohl sehr nötig. Die einzelnen Schieferplatten sind so morsch, dass beim Umdecken und Umlegen zuviel zerbrechen würden. Besonders mürbe sind die Schiefer nach der Südwestseite.

Okt. 1. 36. Es gibt von heute ab eine Großgemeinde „Worpswede“. Diese erstaunliche Tatsache setzt die Zungen sehr in Bewegung. Ich habe noch niemand getroffen, der auch nur einigermaßen mit dieser neuen Einteilung zufrieden ist. Es fehlen sogar die, denen die Verkündung gleichgültig ist. Zeigte schon die Bildung der „Vereinigten Staatenvon Worpheim im Jahre 1929 Widerspruch und Unwillen, so sind die Gemüter im Augenblick so erhitzt, dass die gewagtesten Erklärungen abgegeben werden. Dass die Neuregelung überhaupt nur einen geringen Sinn habe, wird allgemein mit großer Entrüstung als ausgeschlossen angesehen. Dass irgendein Vorteil davon zu erwarten sei, wird als unmöglich dargestellt. Einmütig wird erklärt: wir sollen die Schulden der Worpsweder bezahlen. Über die Worpsweder im allgemeinen und über die Gemeindevertreter im besonderen wird mit Hohn und Spott hergezogen. Den Worpswedern wird jede Fähigkeit abgesprochen, eine Gemeinde zu verwalten. Die Gemeindevertreter müssen hören, dass sie keinen Mut besäßen, die wahren Meinungen der Gemeindemitglieder zu vertreten. Die bisherigen Bürgermeister sind auch recht kleinlaut. Sie verteidigen sich mit dem Hinweis, dass sie „überlistet“ worden seien. Als sie später die Folgen erkannten, waren einige mit energischen Protesten zur Hand. Aber da war es natürlich zu spät.

Februar 1937. Die Bürokratie der neuen Gemeinde scheint auch kein hohes Tempo erzielen zu wollen. Vor Weichnachten habe ich einen neuen Ofen für die Schulstube bestellt. Der alte Ofen war 1927 für alt gekauft worden. Nun war der unterste Ring aus feuerfesten Steinen ausgebrannt, es war nicht mehr möglich, die Roste zu rütteln, die Platte oben auf dem Ofen war mehrfach eingerissen, es war auch nicht mehr möglich, ihn zu regulieren. Der Torfverbrauch war infolgedessen selbst bei dem zuerst sehr milden Wetter ungewöhnlich. Ein neuer Ofen wurde auch bewilligt, aber es vergingen 8 Wochen, bis Ersatz da war. Entschuldigungen verschiedenster Art waren natürlich zu hören. Jedenfalls war der Ofen nicht da, als wir 14 Tage ganz strenger Kälte auszuhalten hatten. In diesen Tagen war der Torfverbrauch ganz ungewöhnlich. Ich nehme an, dass wir für 40 RM mehr Feuerung verbraucht haben, als nötig gewesen wäre. So wird von einer sparsamen Gemeindeverwaltung das Geld zum Fenster hinausgeworfen.

Jan. 37.In diesem Monat wurden in der Schule ein „Luftschutzkursus“ mit 5 Vorträgen abgehalten. Diese Schulungsabende wurden geleitet von:

  1. Abend: Lehrer Hillmann (Mooringen) Allgemeines über den Luftschutz
  2. Abend: Die heimischen Kampfstoffe, Herr Holland.
  3. Abend: Meldewesen, usw. Kunstmaler Bertelsmann,
    praktische Übungen, Lehrer Ützmann
  4. Abend: Über erste Hilfe, Herr Barbier Hildebrandt
  5. Abend: Luftschutz auf dem Lande, Organisation + Gasmaske. Lehrer Schröder

Die Abende sahen die Klasse gut gefüllt. Die Zuhörer folgten sehr aufmerksam. Ich hielt meinen Vortrag plattdeutsch, was allgemeinen Anklang fand. Besonders genau hörten die älteren Leute zu.

13.4.37. Ostern 1937 verließen die Schule 5 Kinder, 3 Knaben und 2 Mädchen.
Neu aufgenommen wurden 6 Kinder, 3 Knaben und 3 Mädchen. Gesamtschülerzahl beträgt 31 S.

28. April 37. Heute wurde ich von Herrn Schulrat Fischer für 6 Wochen beurlaubt, aus gesundheitlichen Gründen. Ich verbrachte 4 Wochen in St. Blasien und konnte am Ende der Sommerferien meinen Dienst wieder aufnehmen.

3.Mai 37. Für die Dauer meines Urlaubs mussten die Kinder die Schulen in Südwede (10 Kinder aus Nordwede) und Waakhausen besuchen. Ich bemerkte bald, dass die Elternschaft diese Umschulung höchst ungern aufnahmen. Die Eltern der Schulneulinge meinten zuerst, dass der Weg nach der Schule in Worpswede nicht so anstrengend sein würde. Nach 2 Tagen aber hatte man sich die Sache anders überlegt und nun wanderten alle Kinder aus Wörpedahl und Weyermoor gemeinschaftlich den reichlich 3. km weiten Weg nach Waakhausen. Die Kinder richteten sich sofort auf den langen Weg ein, die größeren Kinder nahmen die kleineren mit auf’s Rad usw. Es fehlte natürlich nicht an Zwischenfällen, die aber alle glücklich endeten. Firma Thielking segelte z. B. in voller Fahrt in den immerhin breiten Graben vor Grotheers Weg in Waakhausen. Den Empfang im Hause hätte ich nicht mitmachen mögen.

Einige Eltern trugen ihre Klagen ganz beredt vor. „Morgens heißt es immer: Welches Rad kann ich mitnehmen? Vaters nicht, der muß zum Heulande. Ja, das alte Rad ist man kaputt! Denn goo to foot, und „Heini“ geht natürlich mit Gebrüll fort, um zu spät zu kommen. Oder es stellte sich heraus, dass morgens ein Rad „auf Socken“ stand. Was anfangen? Zum Flicken langt die Zeit nicht mehr. Wieder großes Geschrei. Dann hat Fidi doch Vaters Rad mitgenommen, obwohl er es ausdrücklich für sich reserviert hatte. Darob morgens Gefluche und mittags oder abends Geheul. Mitunter mussten die Kleinen mittags von Mutter oder Vater geholt werden, weil es mittlerweile recht heiß geworden war. Oft kamen die Kleinen nicht rechtzeitig nach Hause. Dann lief jemand die Häuserreihe ab. „Hefft ji Mariechen sehn? Oder es gab Schlägereien zwischen Waakhausen u. Mollerdorpe Jungens – dass ich oft genug Sachen „nachgeworfen“ bekam ist sicher –

Im Juli 37. Der Reichs- u. Preußische Minister für --- hat durch Erlaß vom 19. April 37 dem Kreisschulrat Hr. Prager aus Merseburg die Auftragsweise Verwaltung der Regierungs- u. Schulamtsstelle beim Regierungspräsidenten in Stade übertragen.

Der bisherige Regierungs- u. Schulrat Stögel ist unter Übernahme in den Reichsdienst ab 1.4.37 in die Schulabteilung des Herrn Reichskommissars für das Saarland nach Saarbrücken versetzt.

Juli 37. Der Minister für Wissenschaft --- hat neue Richtlinien herausgegeben über die Einrichtung und Bewirtschaftung von Schulgärten. Wesentlich ist der Satz: Der Schulgarten soll ein Gemeinschaftsgarten sein; er dient der Erziehung zum Gemeinschaftsdenken. Das Schüler oder Eigenbeet ist abzulehnen.

Aug. 37. Der Minister für W. K. u. V. hat einen Erlaß über die Schule u. Vierjahresplan herausgegeben. Demnach sind im Unterricht die Ziele usw. des 4. Jahresplanes stets im Auge zu behalten. Dazu gehört auch, die Erziehung zur Schadenverhütung u. Schadenbekämpfung.

Sept. 37. Der Regierungspräsident gibt in einer Verfügung bekannt, dass Ausflüge zu Wasser nicht mehr auf „Torfkähnen“ durchgeführt werden dürfen.

Sept. 37. Für das 3. u. 4. Schuljahr ist ein neues Lehrbuch eingeführt worden. Es ist recht umfangreich, bringt besonders neue Märchen, die sonst nicht in Lehrbüchern gedruckt wurden.

Okt. 37. Der Minister für W. R. u. V. hat neue Richtlinien für Leibeserziehung an Jungenschulen herausgegeben. In Zukunft werden. 5 Stunden für die neue „Leibeserziehung“ wöchentlich im Stundenplan Platz finden. Zeichnen und Religion haben je eine Stunde aufgeben müssen.

Okt. 1937. In diesem Winter wird der Schulofen zum ersten Mal mit Kohlen geheizt werden. Ich begrüße diese Neuerung aus verschiedenen Gründen. Einmal ist mir Arbeit abgenommen; denn ich muß nun nicht mehr mit der „Torfkiepe“ in den Stall laufen, um mehrmals täglich Torf zu holen. Dann wird die Schulstube staubfreier bleiben; schließlich, die Schulstube wird wärmer sein. Die Wärme wird gleichmäßiger werden, denn einen Torfofen kann man doch nicht regulieren. Ob die Heizung billiger wird, kann ich noch nicht sagen.

Nov. 37. Ich habe das Bild des Ministerpräsidenten Hermann Göring in der Schulstube aufgehängt. Das Bild kostete nichts, der Rahmen 3,50 RM.

Dez. 37. Unsere Schulmöbel werden bald unbrauchbar sein. Wann sind sie angeschafft worden? Warum fehlen die Bänke für die Kinder des letzten Jahrganges? Warum haben die letzten Bankreihen jahrzehntelang keine Lehnen bekommen? Die habe ich wenigstens anbringen lassen können. Da manche Bänke für größere Schüler zu eng waren, habe ich die Verbindungsbalken (und Fußboden) durchgesägt und durch eine Latte einen weiteren Zwischenraum geschaffen. Einzelne Bänke habe ich ganz auseinander genommen und in Form eines langen Tisches wieder zusammengenagelt. Man hört und liest viel von der großen Bedeutung der Volksschule. Sie modern einzurichten würde ebenso zur Arbeitsbeschaffung beitragen wie der Bau von Autobahnen. Ein witziger Bauer tröstete mich vor einigen Tagen: man fängt von unten an, zunächst baut man Kinderheime in Bremen z. B. recht großzügige!

 

Tondokument zur Familie Mahnken Wörpedahl/Nordwede

Liederbuch Johann Haar
Wandervorschlag der Bremervörde-Osterholzer Eisenbahn
 
Foto Saebens Worpswede

Der erste Eindruck der Kinder auf mich war wenig versprechend; sie zeigten sich verschuechter, befangen, mundfaul, wenn nicht gar verschlossen. Sie antworteten, indem sie ein Wort, einen halben Satz, durch die Zaehne gepresst, entgegen warfen, eine Miene dabei aufsteckten, die zeigt, dass sie auch dies noch reichlich finden.

Ich war sogar bereit, eine geistige Traegheit (Lethargie) festzustellen; doch durfte ich das wohl nicht, denn das leise Fluestern und Tuscheln der aufgeweckteren Kinder untereinander ueber eine angeschnittene Frage ließ doch eine geistige Regsamkeit erkennen. Ist dies Zurueckhalten der offenen Frage ein Zeichen von Schuechternheit oder von einem Mangel an Vertrauen? Dieser koennte begruendet sein durch den dreimaligen Lehrerwechsel,: also: schon wieder ein Neuer. Dieser Wechsel kann eine labile Seelenhaltung hervorgerufen haben, das Kind weiss nicht, woran es sich halten soll.

Auffallend ist das koerperliche Aussehen der Kinder. Viele machen einen durchaus unterernaehrten Eindruck. Zu erkennen gibt sich dieser Zustand aus der Spielhaltung der Kinder. Sie haben keinen Spieltrieb, daraus erkannte ich auf Mangel an Aktivitaet. Mein Versuch, im Sommer einige Spiele einzufuehren, scheiterte beinahe an der Fantasiearmut der Kinder. Die Klasse macht auf dem Spielhof einen freudlosen Eindruck.

In Verbindung hiermit moechte ich auf die Sangesunlust der Kinder hinweisen. Die wenigsten Melodien waren bekannt.

Diese Haltung der Kinder war mir raetselhaft. Ich ging in die Haeuser hinein, um zu erkunden, ob Schule oder Elternhaus die Ursache war. Ich studierte dabei ein Stueck Bevoelkerungspolitik.

Der Schulgemeinde gehoeren 3 Doerfer an. Das als wohlhabend geltende Dorf Weyermoor zaehlt 13 Familien (selbstaendige Haushaltungen.) 2 davon schicken zusammen 5 Kinder in die Schule. 3 davon kommen aus einer Familie, die in zwei Generationen von der reichsten zur aermsten Familie geworden ist. Man kann ohne weiteres von Degeneration sprechen. 2 andere Kinder kommen aus geordneten Verhaeltnissen. Aus Woerpedahl schicken von 7 Familien 3 Familien Kinder in die Schule, zusammen 6. Nordwede schickt die meisten Kinder. 8 Familien von 20 haben Kinder in der Schule.

Die Leute meiner Schulgemeinde sind fleißig, aber aeusserst sparsam zu nennen. Einige Familien wollen sich nicht einmal die fuer ein Existensminimum noetige Lebensweise goennen und verzichten fuer einen groesseren Teil des Sommers auf ein warmes Essen, was von ihnen offen zugegeben wird. Dies Verhalten ist das Zeichen einer seelischen Verkrampfung. Wird dies nicht auch bei den Kindern der Fall sein? Bei ihnen aeussert es sich nur in der Sparsamkeit an Worten und Gebaerden.

August Schröder 1933

 
 
 
 
 
 
 
 
 
 

 

 
 
 
 
 
 
 
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