Südwede

 

 

Aus der Siedlungsgeschichte der Moordörfer

SÜDWEDE, NORDWEDE UND WORPHEIM

Erste Kolonisationsversuche

Schon um die Wende des 11. und 12. Jahrhunderts traten in den Marschen der Weser und Elbe und auch in der Wümme-Niederung die Holländer auf. Sie sind es gewesen, die die schlickbedeckten Ländereien an den Ufern der beiden Ströme vor der Gewalt der Fluten sicherten, entwässerten und in blühendes Ackerland verwandelten. Sie ließen sich von den Bremer Erzbischöfen Sumpfland auch an der Wümme geben, und sie haben das Hollerland und vermutlich auch Teile des Block- und Werderlandes urbar gemacht. Daß das Beispiel dieser fleißigen Kolonisten zur Nachahmung reizte, ist nicht von der Hand zu weisen. Ob aber die Klöster Osterholz und Lilienthal vorwiegend für die Kultivierung der Moore gestiftet worden sind, ist wohl schwer eindeutig zu beantworten. Tatsache ist es jedenfalls, daß die Tätigkeit der Klosterleute sich zwar zunächst auf das wässerige Grünland richtete, das dem großen Moorgebiet im Südwesten vorgelagert war, daß sie dann aber das Land trockenlegten und bebauten, das die Klöster umgab. Zwei Urkunden sprechen auch von Besitzungen der Klöster im Teufelsmoor.

Südweder Mühle
 

Auch die Geestbauern am Rande des Teufelsmoores waren an diesem Gebiet interessiert. Wenn sie das Moor auch noch nicht als Saatland nutzten, so trieben sie im Winter doch gern ihre genügsamen Schafe hinein, damit sie sich von den im Torfmoose versteckten Zwiebeln eines in den nassen Mulden reichlich wachsenden Cyperngrases nährten. Das endlose Hochmoor war für ihre Herde eine billige Weide. Weil zudem der Wald auf der Geest nach und nach seltener, das Holz dadurch aber teurer wurde, so wandten sich die Bewohner des Moorrandes mehr und mehr dem Torfstiche zu, um sich wohlfeile Feuerung zu verschaffen. Natürlich stachen die Geestleute den Torf zunächst nur für den eigenen Bedarf, wo und wie es die Gelegenheit mit sich brachte. Ihn ohne Konsens der Erzbischöfe zu graben, war nicht gestattet. Doch kümmerte man sich nicht eben viel darum.

 

Das Interesse des Staates erwacht

Im 18. Jahrhundert verlangte die steigende Volksvermehrung immer mehr nach Raum zu neuer Ansiedlung, und hier im Moor schien Raum ohne Ende zu sein. Auf dem Heidberge z. B. gesellten sich zu den seit langem ansässigen drei Siedlern um die Mitte des Jahrhunderts 17 Neusiedler. In Seebergen entstanden 25 neue Siedlerstellen, und viele Interessenten schlugen hier und da ihre Hütten auf. Als Baustellen wählten die neuen ihnen einen guten Baugrund und zuweilen auch noch Raum für etwas Ackerland boten. Eine magere Kuh und einige Schafe fanden schließlich auf dem wilden Moore ihre Nahrung. Der Bodenstich, den die Kolonisten ebenso regellos wie eifrig betrieben, verschaffte ihnen klingende Münze. Schon 1737 klagt das Amt Osterholz, daß unmäßig viel Torf gegraben und verschleudert werde, und verlangt Einschränkung. Auch das Verfahren des Brandfruchtbaues zur Produktion von Korn erwies sich auf die Dauer als ein Raubbau am Moor. Freilich war ja vorerst Moor genug vorhanden; aber der Brandfruchtbau blieb ohnehin immer eine Art Glücksspiel. Man mußte danach trachten, dem Boden auf bessere Weise seine Ernte abzuringen. Dazu war aber eine Entwässerung des Moores in größerem Stile nötig, als sie die geringe Zahl der verstreuten Anbauer ausführen konnte, eine bessere Ordnung des Torfstichs, als sie aus freiem Antriebe einzuhalten willig waren, eine richtige Anlegung der Kolonien und geregelte Zuweisung be­ grenzter Moorteile, wie sie ohne genaue Vermessung nicht gemacht werden konnte.

Ein solches Beginnen war nur möglich, wenn es vom Staat selbst in die Hand genommen wurde. Und der absolutistische Staat des 18. Jahrhunderts mit seinem wirtschaftspolitischen System des Merkantilismus hatte an jeglicher Kolonisation ein großes Interesse. Es kam den Fürsten dieser Zeit vornehmlich darauf an, die Wirtschaftskraft und die Wehrkraft ihres Landes zu erhöhen, also die landwirtschaftlichen Flächen zu vergrößern und zu verbessern, mehr Menschen anzusetzen, mehr zu produzieren, mehr Handel und Wandel zu treiben und im Enderfolg die Staatskassen zu füllen.

Nachdem unsere Heimat bis 1715 zu Schweden gehört hatte und im Jahre 1718 aus dänischem in hannoverschen Besitz übergegangen war, wurde die hannoversche Regierung auf die großen Moore aufmerksam gemacht. Amtmann Anton Friedrich Meiners von Osterholz, der das Amt Lilienthal bis 1744 kommissarisch verwaltete, wies mit aller Energie darauf hin, daß auch das wilde Moor zu Saatland, Holzpflanzung und Anlegung von Feuerstellen geeignet sei, namentlich eine unvergleichliche Schafweide geben würde, wenn man nur Kosten und Arbeit nicht scheue, einen Hauptkanal von hinlänglicher Breite und solcher Tiefe zu ziehen, wie es der Grund und Boden verstatten wolle. Zur Sicherheit müsse jedoch eine genaue Kartierung voraufgehen; denn die anliegenden Dörfer beanspruchten einen großen Teil des Moores.

Der Auftrag, das ganze Moor zu vermessen, wurde vergeben. Weil aber die Unordnung im Moor durch die zerstreuten Ansiedlungen ständig wuchs, wie sich andererseits die Gesuche um Genehmigung neuer Niederlassungen mehrten, erkannte die königliche Kammer, daß hier nur eine größere Unternehmung von Nutzen sein könne und diese zunächst eine genaue Erforschung aller in Betracht kommenden Umstände notwendig mache. Der Bewilligung ihrer Absichten seitens der Königlichen Regierung konnte sie gewiß sein; denn der Gedanke, „das Land zu peuplieren", ein weites Bruchland in fruchtbare Äcker und Wiesen zu verwandeln, damit vielen fleißigen Untertanen Gelegenheit zur Nutzung ihrer Kräfte geboten, den Kassen des Landes aber neue Einnahmen gewährt würden, mußte an jedem Fürstenhofe des 18. Jahrhunderts gefallen, und im übrigen regierten im Kurfürstentum Hannover die Geheimen Räte.

In einem „Bericht und Gutachten" zweier Erkundungskommissare heißt es: Auch könnten sie die Anlage ganzer Kommunen nicht für empfehlenswert halten, da ein Haufen solcher Leute, die sich dazu melden, gewöhnlich kein Geld habe und einen starken Zuschuß erfordere. Im Gegenteil sei das bisherige Verfahren, allmählich zu kolonisieren, gut; nur müsse auf eine bessere Auswahl der Plätze und besonders der Ansiedler Bedacht genommen werden. Am geeignetsten seien die in den Dörfern überflüssig vorhandenen Häuslinge. Mit Vorschußgeldern dürfe man sich nicht abgeben, sondern man müsse Leute aussuchen, die selbst etwas Vermögen oder Kredit hätten. Nicht Kaistellen zu schaffen, sondern volle Baumannsstellen von 80 bis 100 Morgen werde sich lohnen; denn die Erfahrungen und der Augenschein der bisherigen geringen Zubauungen zeige, daß derartig kleine Anbauer und -Käthen, wenn sie sich gleich bearbeiten wollten, dennoch niemahlen zu den Kräften gelangen könnten, daß sie als tüchtige Untertanen das allgemeine Beste unterstützen könnten, sondern vor wie nach arme Häuslinge bleiben, welche entweder denen übrigen Unterthanen zur Last liegen oder zu der wirklichen Landesverbesserung nichts merkliches beytragen würden. Die Einzelkolonate seien allmählich zu Gemeinden zusammenzufassen; ihnen müsse dann Gemeinweide, vielleicht auch ein Stück als Gemeindeholzung angewiesen werden. Nach acht bis zehn Freijahren, die man den Neubauern gestatten könne, seien vorerst mäßige Abgaben, der Zins in natura zu er­ heben. Langsam genug werde die Kultivierung des Moores fortschreiten. Der Boden sei nach der Entwässerung wohl zum Anbau, im übrigen vorzüglich zum Torfstich geeignet. Zu dessen genauer Überwachung müßten alljährlich Moorgerichte und Moorschreibetage abgehalten werden.

abgehalte

Gutachten hat der Kolonisation, die jetzt einsetzte, in wesentlichen Punkten als Grundlage gedient. Nach einem weiteren Erfahrungsbericht über die Moorkultivierung in Friesland und Holland war die Königliche Kammer in Hannover entschlossen, das Werk selbst in die Hand zu nehmen. Nach der Festlegung der Grenzen des großen Moores und der Amtsgrenzen der drei Ämter Ottersberg, Lilienthal und Osterholz von 1750-1755 entstanden die Dörfer Neu-Sankt-Jürgen, Wörpedorf, Eicke­ dorf, Heudorf, Rautendorf, Schmalenbeck usw. In einem Zeitraum von kaum 24 Jahren wurden 20 neue Dörfer und 384 bebaute Stellen gegründet. Daneben hatte man nicht weniger als 29 000 Morgen zu Weinkaufs- oder Saatmoor vergeben, so daß man jährlich 3 500 Reichsthaler für die Amtskasse erheben konnte. In einem Bericht der königlichen Kammer heißt es: „Wenn also ein öde und wüste gelegener weitläufiger Moor-Raum, der vorhin überall keinen Nutzen geschaffet hat, solchergestalt zubereitet worden, daß er außer einer daher erfolgenden jährlichen beträchtlichen Ein­ nahme 384 Familien ernähret, die vermehrte Hände zum Ackerbau, Handel und Gewerbe hergeben, und durch den Torfhandel nach Bremen und anderen Orten Geld ins Land ziehen, so ist es keinem Zweifel unterworfen, daß sich nicht leicht ein Zweig von Landesverbesserungen finden wird, der mit so wenigen Kosten einen so geschwinden Gewinst und so ausgebreitete Vortheile verschaffet."

Die Gründung der Moorkolonien des Amtes Lilienthal

Schon in der schwedischen Zeit, von 1650 ab, namentlich aber um 1692 waren in dem 5000 Morgen umfassenden Lilienthaler Bezirk Torfstichs- und Saatmoore ohne Vermessung und Beschreibung von geringem Zins abgegeben worden. Die erste Vermessung des Amts wurde als unzureichend und unbrauchbar empfunden. Sie wurde erfolgreicher durch den Artillerieleutnant Braun aus Stade, durch du Plat, den Obristleutnant Isenbarth unu zuletzt im Jahre 1759 durch Findorff wiederholt. Den Anstoß zum planmäßigen Aufschluß des Moores gab Amtmann Meiners. Ihm folgte die Arbeit der Erkundigungskommission Augspurg-Jacobi und der Vermessungs­ und Anbaukommission Meyer-Augspurg. Die ersten Unternehmungen Lilienthals beschränkten sich auf eine planmäßige Austeilung des vorhandenen, um 1750-51 vermessenen Moorlandes in Saatmoore. Dabei wurde vorzugsweise der Rand des Moores, der an Wassermangel litt und daher zum Anbau nicht geeignet war, westlich Trupermoor-Kleinmoor und nördlich Heidbergs in Anspruch genommen. Den nach dein Weyerberg und der Hamme zu gelegenen Moorraum, ein besonders tief gelegenes, sumpfiges Wrackland, stellte man zunächst respektvoll für den Anbau zurück. Sobald die Lilienthaler Amtsgrenzen reguliert worden waren, begann man im projektierten Besiedlungsraum mit den Kulturvorbereitungen. Am 10. September 1753 erhielt der Obristleutnant Isenbarth durch Hannover den Auftrag, das Lilienthaler und Ottersberger Bauland nach seiner Lage und Aufteilungsmöglichkeit zu studieren, geometrisch zu vermessen und Abwässerungsprojekte zu entwerfen. Das Ergebnis dieser Studien war durch­aus befriedigend. Eine Besiedlung dieses Moorraumes hielt der Beauftragte beientsprechendem Kanalbau für die Entwässerung und für die Torfschifffahrt für möglich.

Nach Prüfung der Isenbarthschen Projekte durch die vier Mooramtsleute und Hannover konnte man endlich an deren Verwirklichung gehen. Ende 1754 begann man den großen Entwässerungskanal durch das lange Moor zu bauen, die sogenannte Alte Semkenfahrt, die von der Tarmstedter Geest durch Adolphsdorf und die spätere Moorfinger Gemarkung zwischen Westerwede und Südwede hindurch, von da ab nordwestlich über den Totenweg, quer durch Waakhausen den Weg zur Hamme nahm. Den Lüningsee verband man mit ihm durch einen Graben, der Westerwede und Lüninghausen nach Westen gegen Worpheim abschließt. Der Lüningsee wurde durch die erste Landwehr mit der Wörpe verbunden. Der Semkengraben hielt aber das Wasser nicht und verschlammte 1756 gänzlich. Deshalb zog man neue Gräben, die sog. Landwehrgräben, die vom Königsweg nordwestlich auf Heidberg zu führten, wo sie mit der Wörpe durch den Worphauser Saatmoorgraben verbunden wurden. So erreichte man eine nach Nordosten und Südwesten gerichtete gleichmäßige Wasserabführung.

Von den 1756/57 abgeteilten sechs Anbaulinien wurde Lüninghausen am ersten in der Gegend der Lüningsee mit den drei Anbauern Jürgen Helmken, Borchert Tietjen und Johann Dierck Meyer besetzt. Das geschah nach 1756, vermutlich 1758. Sie erhielten 24 Quadratruten zum Wohnplatze und Kohlhofe, 11 Morgen aber zu Saat-Ländereien vorläufig angewiesen.

An Zins sollten sie

 

Kathen-Geld 30 Grote
Ständig Zins- und Zehntgeld 44 Grote
Gerichtsgeld 30 Grote
für 2 Zinshühner 12 Grote
Dienstgeld 36 Grote
Für die Kontributionsfreiheit 1 Reichsthaler 9 Grote
Recognition für die Weide, bis sie abgegraben wird 12 Grote

 

 

überhaupt 3 Reichsthaler 23 Grote alljährlich in die Register bezahlen. In derselben Anbaulinie würden sich die übrigen 14 vorgesehenen Liebhaber schon anfinden, wenn nur erst die Verbindungswege nach Worpswede ein­ gerichtet und das in dieser Gegend noch sehr sumpfige Terrain mehr Abwässerung erhielte.

 

1761 konnte das Amt Lilienthal melden, daß im abgewichenen Sommer und gegenwärtigen Herbst mit dem Moor-Anbau, soviel der Mangel an Arbeitern es verstatten wollte, fleißig fortgefahren, daß nur wenig Plätze übbriggeblieben wären, die nicht von den neuen Colonis begraben und vorerst die Abzugsgräben ringsumher gezogen wären, um die bisherigen Sümpfe abzuwässern und die Bauplätze in den Stand zu bringen, daß sie die darauf vorzurichtenden Gebäude tragen könnten.

„Der Anfang zur wirklichen Bebauung ist inzwischen auch schon gemacht und sind a) in der ersten Baulinie am Lüningsee sieben Wohnungen und zwei Hütten gerichtet. Acht Wohnungen liegen fertig gezimmert und warten nur auf Frost und Zimmerleute, um selbige aufzusetzen, und die beiden letzten Wohnungen in dieser Linie sind zur Lieferung aufs Frühjahr verdungen, daß also im nächsten Sommer diese Baulinie völlig zum Stande kommen wird;

  • b) in der zweiten, so hinter dieser in gerader Linie vom dreyeckigen Grenzpfahle nach dem Sankt-Jürgen-Scheidungsgraben hinunterläuft, ist zwar, weil das Moor zu sumpfig, nur eine Wohnung hineingebracht, die zweite wird aber jetzt angefahren und aufs Frühjahr wollen die andern folgen;
  • c) in der dritten Bau-Linie hinter Waakhausen sind zwei Hütten aufgesetzt und drei Wohngebäude liegen fertig gezimmert und endlich
  • d) ist in der vierten Baulinie hinter Wörpedorf die erste Wohnung samt zwei Hütten aufgerichtet, in allen vier Baulinien aber schon fleißig Saatländerei zugemacht und in dem abgewichenen Sommer mit allerlei Früchten besamet gewesen.

Die übrige Coloni haben teils wegen des großen Mangels an Zimmerleuten und den hiesigen Holzhändlern dermalen fehlenden Eichen- und Tannenbauholzes, teils weil die von den Ämtern Osterholz und Ottersberg unterhaltende Kirchwege mit den schon bewilligten Brücken und Kümpen noch nicht versehen und also zur Anfuhr des Holzes zu den fertig liegenden Gebäuden zur Zeit unbrauchbar sind, dermalen noch nicht zur wirklichen Vorrichtung ihrer Wohngebäude gelangen können. Verschiedene sind auch dadurch abgeschreckt, daß die im vorigen Herbst und Frühjahr errichtete Gebäude ganz in den Grund gesunken, weil dieser bislang aus Kürze der Zeit nicht genugsam abgewässert werden konnte. Inzwischen wird es, da nunmehr die meisten Hauptabzugsgräben und Wege zu Stande gebracht sind, in dieser Moorgegend schon ganz lebendig, und hat man nicht Ursache zu zweifeln, daß sobald sich nur die gemeldeten Hindernisse nach Zeit und Umständen geben, die ausgewiesenen Plätze auch wirklich werden sämtlich bebauet werden. Die nahe Nachbarschaft von Bremen und daraus ent­ stehende Gelegenheit zum Verdienst hat nebst der bequemen Lage und nun eingerichteten Gemeinschaft mit allen benachbarten Dörfern zu viel Reizen­ des für die neuen Anbauern, als daß es den Plätzen, wenn auch einer oder der andere ausfällt, jemals an Colonis fehlen könnte. Von Amts wegen hat man bei dem sich ergebenden großen Mangel an Arbeitsleuten in dem abgewichenen Frühjahr und Sommer 1. den Hauptabwässerungsgraben für die zweite Neu-Baulinie, 2. den Hauptabwässerungsgraben und Communicationsdamm für die drei ersten Baulinien bis Waakhausen und 3. den neuen Damm für den zum Torfstich austuenden Weinkaufsmooren nebst der Ausmessung von 34 Hausplätzen und 45 Saatmooren zum Stande gebracht."

Erstmalig wird übrigens in diesem Bericht vom Lilienthaler Amtmann erwähnt, daß er sich „der Anwesenheit des Amtsvogts Findorff bedient, um den noch rückständigen Raum im Moore ebenfalls zu seinem bestimmten Behuf ordentlich abzuteilen und darauf zur Anweisung und Bearbeitung zu schreiten. Bei Aussteckung der zweiten und dritten Baulinie hat sich nämlich noch soviel Moor übrig gefunden, daß noch 10 Neubauern an einer fünften Linie von gleicher Größe und Beschaffenheit mit den ersten vier Baulinien angesetzt werden können."

Schon ein Jahr später sieht es in den sechs neuen Anbaulinien des Amtes Lilienthal wesentlich anders aus. Die Baulinien, worin jedem Neu­ bauer ein gleich großer Bauplatz von 32 Kalembergischen Morgen Größe zur Kultur und Aptierung zum Torfstich, Vorweide, Wiesenwachs- und Saatfeldern zugeteilt ist, sind zum großen Teil besetzt. Die Baulinien A (9 Feuerstellen) und B (7 Feuerstellen) sollen zu einer Bauernschaft ver­ einigt und bei der Lilienthaler Kirche eingepfarrt werden. „Eure Exz. und Hochwohlgeb. geruhen also außer der hierüber abgebenden Resolution nur noch gnädig zu verfügen, wie dieses Dorf von 16 Feuerstellen so unmittelbar an das Amt Ottersbergische neue Wörpedorf anschließt, künftig heißen und zu Register getragen werden solle. Gegen den Prediger nennen sie sich selbst Königs-Moorer und die Benennung ist zum Unterschiede gegen den alten Amtsdistrikt so übel nicht ausgedacht. Im Gegenteil würden die nun folgenden fünf Baulinien am bequemsten bei der neuen Kirche zum Worps­ wede eingepfarrt werden können".

Die nächste Baulinie habe den Namen Lüninghausen erhalten und sei vollständig besetzt. 15 Wohnhäuser und eine Hütte seien errichtet. In der folgenden Baulinie (Westerwede) seien die 16 Colonis durch den noch nicht genugsam abgewässerten sumpfigen Grund abgehalten, ihre Gebäude hin­ einzusetzen. Das würde aber bei einfallendem Frostwetter in die Wege geleitet werden. Dagegen hätten sich zu den folgenden mit Buchstaben E (Südwede) und G (Worpheim) bezeichneten Baulinien von 10 und sechs Baustellen nur erst zwei Liebhaber angefunden, weil bei dem großen Mangel an Tagelöhnern die Hauptabzugsgräben an selbigen noch nicht gezogen worden wären. Den zuletzt genannten drei Baulinien fehle noch der Name, den die Anbauer von „Euren Exzellenzien und Hochwohl­ geborenen" erwarten. Die letzte Linie an der Waakhäuser Scheidung (Nordwede) sei völlig mit elf Neubauern besetzt. Davon hätten vier schon wirklich angebaut, und die anderen sieben seien damit beschäftigt, das nötige Bauholz anzuschaffen. Sie nennten sich gemeiniglich die Südweder in Gegenhaltung mit der angrenzenden alten Dorfschaft Worpswede.

Da alle Bauplätze gleich groß angelegt worden wären, nämlich 32 Morgen, wovon 2 Morgen zum Wohn- und Hofplatze, 8 Morgen zur Vorweide, 10 Morgen zum Torfstich und Wiesenwachse und 10 Morgen zum Saatlande, so würden für selbige auch die Abgaben gleich hoch zu bestimmen sein, nämlich 24 Grote an Kathen-Geld, 1 Rthlr. 48 Gte. für 30 Morgen Saat-, Weide- und Wiesenland, 12 Gte. für 2 Zinshühner, 36 Gte. an Dienstgeld und 1 Rthlr. für die Kontributionsfreiheit, insgesamt also 3 Reichsthaler 48 Grote. Die übrigen allgemeinen Lasten wie Land-, Gerichts- und Kriegerfolgen, Graben-, Wege-, Brücken- und Siel-Besserungen seien mit gleichen Schultern von ihnen zu tragen. Die Freijahre dürften wohl nicht unter 9-12 Jahre eingeschränkt werden, da die Neubauern die nötigen Kräfte zur Abtragung der Unpflichten erst sammeln müßten. In den laufenden Jahresregistern könnten schon 220 Rthlr. zur Berechnung kommen, und zwar für 16 Brink-Köthen im Dorfe Königsmoor 58 Rthlr. 48 Gte., für 17 Brink-Köthen im Dorfe Lüninghausen 62 Rthlr. 24 Gte., für 16 Brink-Köthen in der Baulinie D 58 Rthlr. 48 Gte. und für 11 Brink­ Köthen im Dorfe Südwede (das heutige Nordwede) 40 Rthlr. 24 Gte. Später kämen für die Baulinie E noch 36 Reichsthaler 48 Grote und für die Baulinie G 22 Reichsthaler hinzu.

Außerdem wären im verflossenen Jahr hinter Worphausen (Königsmoor) und Worpheim (Anbau Lit. G) 189 halbe Saatmoorteile ausgewiesen worden. Ein solches halbes Moorteil war 60 Ruten lang und 10 Ruten breit und umfaßte fünf Kalembergische Morgen. Allerdings wurden für die Einfassungsgrüppen und Gräben 20 0 /o abgerechnet. Die jährlichen Abgaben für diese 189 halben Saatmoorteile würden 52 Reichsthaler 1 Gte. betragen. „Nunmehr rückt aber auch der Zeitpunkt heran, dafür zu sorgen, daß die 76 Familien des Neuanbaues sich Brot erwerben und in der Folge die Abgiften für die allergnädigste Herrschaft gewinnen mögen.

Die Haupterwerbsquelle wäre der Torfstich. Weil sie den im Frühjahr gegrabenen Torf nach der Hamme und Wümme fahren müßten, so könnten sie einige Hauptschiffsgräben nicht entbehren. Zur Verbindung der Land­ wege und zur Stauung des sonst verlaufenden Wassers wären drei Brücken m i t und fünf ohne Schütten erforderlich. Die neuen Anbauern könnten selbige nicht aus ihren eigenen Mitteln bestreiten, sondern erhofften, daß ihren die gleiche Gnade widerfahren werde, wie den Anbauern im Amte Osterholz und Ottersberg geschehen sei. Der von Obrist Isenbarth gezogene Hauptabwässerungs- und sogenannte Semkengraben wäre bis zum Aus­ flusse der Hamme beinahe gänzlich wieder zugeschoben. Eine weitere Ver­ tiefung im nächsten Frühjahr wäre unumgänglich notwendig. Die Kosten in Höhe von 100 Reichsthalern würden von der Königlichen Kammer er­beten. In Zukunft sollten die Siedler die Unterhaltung selbst tragen. Am Lüningsee wäre ein Gebiet von fünf, bzw. 26 Morgen Größe für den Holz­ anbau ausersehen. Wenn der Anbauversuch mißglücken würde, sollte dieses Gebiet zu Wiesenland kultiviert werden.

Dieser sehr ausführliche Bericht des Amtmannes Meyer vom 13. 12. 1762 schließt mit den Worten: „Ich weiß dem obigen nichts mehr hinzuzufügen, als daß ich der mir in allen Stücken sehr nützlich gewordenen Beihilfe des Amtvoigtes Findorff gegen Eure Exz. und Hochw. das verdiente Lob damit beilege und wie ihm für den mit vielen Fleiß aufgetragenen Plan noch keine Bezahlung geworden ist, sowohl desfalls, als wegen seiner im Moore angewendeten Bemühungen zur billigen Belohnung empfehle". Diese „sehr nützliche Beihilfe" des Amtsvoigts Findorff gab der gesamten staatlichen Moorkolonisation erst den rechten Schwung. Findorff wurde im Laufe der Jahre immer mehr zum Hauptträger des Unternehmens. überall wurde sein Rat eingeholt. Sein Können und seine nie erlahmende Schaffenskraft sorgten für einen erfolgreichen Fortgang des Anbaugeschäftes, auch wenn die Verhältnisse manchmal aussichtslos schienen. Er wurde der Vater seiner Kolonisten, der ihnen mit Rat und Tat zur Seite stand. Auch die Amtsleute seines Wirkungsbereiches zollten der Leistung des späteren Moorkommissars uneingeschräkte Anerkennung.

Dem zitierten Bericht folgt ein Verzeichnis der Siedler, das sowohl über den Fortgang der Bautätigkeit als auch über die Herkunft eines Teiles der Siedler Auskunft gibt.

Die Siedler haben laut Verzeichnis ihren Platz bearbeitet, zimmern das Haus, haben das Haus stehen oder wollen das gezimmerte Haus auf den Herbst richten. Sie stammen aus Lilienthal, Wester- und Kirchtimke, Waakhausen, Mittelbauer und Worpswede.

Das Jahr 1763 war für die Siedler ein bitteres Jahr. „Das seit Pfingsten beständig angehaltene Regenwetter hat verhindert, daß bey Fortsetzung des Amts Lilienthalschen Mohr-Anbaues etwas Beträchtliches beschaffet werden können. Vielmehr haben die Tagelöhner, welche bey der Ausbrin­ gung des Semcken-Grabens angestellt gewesen, davon abstehen müssen. Verschiedene Anbauer sind dadurch aufgehalten, ihre fertig liegende Gebäude ins Moor zu bringen. Andere, deren Zahl sich auf 26 beläuft, scheinen den Anbau in die Länge zu ziehen oder gar wieder zurücktreten zu wollen, sofern die benachbarten Herren Beamte zu Zeven, Ottersberg und Osterholz, in deren Gerichtsbarkeit und Dörfern sie sich aufhalten, sie nicht nöthigen, das bey hiesigen Amte getroffene Engagement zu vollenführen.

Das natürlichste Mittel scheint mir zu sein, daß ihnen der bisherige Aufenthalt in den Geestdörfern nach Ablauf eines Jahres Frist nicht ferner gestattet, und dieses ad protocollum bedeutet werde. Wollten sie gleich ein Stück Geldes zur Loskaufung bezahlen, so werden sie doch so geschwinde keine andere Coloni anfinden, die in ihre Stelle treten. Vom Worpsweder Berg fließt das Wasser in die Siedel-Niederung und wird den hiesigen Neubauern zur Last stehengelassen. Der vorhandene Semcken-Graben ist zur Abwässerung allein nicht hinreichend, sondern die hiesige lte, 3te, 4te, 5te und 6te Baulinie bleiben ein Sumpf, fals jene Haubt Wasser Abteilung nicht bald zum Stande kommt." Die Vorschläge für eine gründlichere Entwässerung wurden von Han­ nover voll bewilligt, doch verlangte man genau zu fassende Kostenan­ schläge. In einem Schreiben vom 16. Januar 1764 wurde seitens der König­ lichen Kammer in Hannover verfügt, „daß den bey den Baulinien sub Lit. A u. B der Name Worphausen, der zweiten sub C Lüninghausen, der dritten D Westerwede, der vierten Lit. E Südwede, der fünften F Nord­ wede und der sechsten sub Lit. G Worpedahl beygeleget werde." Daß es sich beim letztgenannten Dorfe um Worpheim handelt, geht einwandfrei aus einer Findorff-Karte dieser Zeit hervor.

Nachdem die regenhafte Witterung des Jahres 1763 der Ausführung des neuen Anbauungsplanes unabsehliche Hindernisse in den Weg gelegt hatte, sollten 1764 gemäß den General-Principis der Moor-Konferenz zu Ottersberg folgende Arbeiten in Angriff genommen werden:

  • der Haupt-Abwässerungsgraben,
  • Schiffs- und gemeinschaftliche Kanäle,
  • die darüber unumgänglich erforderlichen Brücken,
  • die nötigen Siele und Schütten darin,
  • der Hauptweg durch das Moor von einem Anbau zum andern, desgleichen
  • die Kirchwege.

Schon im Juli desselben Jahres konnte Amtmann Meyer nach Hannover melden, daß die Dämme und Grabenarbeiten bis auf die vor den Dörfern Südwede und Nordwede zu ziehenden Hauptgräben zustande gebracht wären. Nach Einholung der Kornernte wollte man das Rück­ ständige nachholen.

Von den im vorigen Jahr angegebenen 26 Colonis, denen es kein Ernst mit der Fortsetzung des übernommenen Anbaues zu sein scheine, hätte Hinrich Garms auf Nr. 8 im Dorfe Lüninghausen sich selbst wieder angefunden. Fünf andere, namentlich Claus Prigge und Pamcke Wiegels im Dorfe Westerwede, ebenso Johann Brünjes, Dierck Oldenbüttel und Gevert Feldhausen im Dorfe Nordwede wurden durch andere annehmliche „Subjekte" ersetzt. Es fehlten nun noch die schon früher gemeldeten 20 Flüchtigen. Sie sollten durch die königlichen Ämter zur Rückkehr angehalten oder gleichfalls durch andere tüchtige Arbeiter ersetzt werden.

Der untere Teil des Kuhgrabens war in einen befahrbaren Zustand gesetzt worden und wurde zu allen Jahreszeiten fast täglich befahren. Die Ausbringung des oberen Teiles des Kuhgrabens ließ Senatus Bremensis noch immer anstehen.

In seinem letzten Bericht vom 12. März 1765 legte Amtmann Meyer Rechnung ab über das bisherige Moor-Anbauungsgeschäft. Er wollte, soweit es geschehen konnte, bis zu seinem herannahenden Abzuge noch alles in Richtigkeit bringen. Die 15 Brücken, 10 Kümpe und 2 Stauschleusen, die in dem Plan vom 13. Dezember 1762 bereits genehmigt worden wären, seien sämtlich gelegt und die bewilligten Schiffsgräben und Wegebesserungsarbeiten bis zu einem nur geringen Teil vollendet. Der Semkengraben, der sich im vorigen Herbst wieder sehr zusammengeschoben hätte, müßte im nächsten Sommer noch einmal auf landesherrliche Kosten, die etwa 100 Reichsthaler betragen würden, nachgebessert werden. Das anhaltende Regenwetter und der bislang noch fortdauernde Frost hätten die Fortsetzung des Holzanbaus am Lüningsee bisher verhindert. Es bliebe der Ausführung des Nachfolgers vorbehalten.

„Das Anbauungs-Geschäft selber ist von mir insoweit betrieben, daß ich vermittelst der Anlage sub Lit. A. von den ins Moor wirklich angebauten oder im Begriff stehenden Neu-Colonis

 

1. im Dorfe Worphausen

11

2. im Dorfe Lüninghausen

15

3. im Dorfe Westerwede

8

4. im Dorfe Wörpedahl

1

5. im Dorfe Nordwede

8

 

neue Anbauern Euren Exz. zur Beweinkaufung und Bemeierung vortragen kann, dieweilen sie nur langsam zu Gange kommen können, vorerst wohl nicht unter einer ansehnlichen Rubrik als von Brink-Köthen zu Registern getragen werden mögen, dahingegen muß ich

 

 

 

1. im Dorfe Worphausen

5

2. im Dorfe Lüninghausen

2

3. im Dorfe Westerwede

8

4. im Dorfe Nordwede

3

Neubauer, welche in den Jahren 1760, 1761, 1762 ihre Bauplätze zum Teil schon bearbeitet haben, nach Gottlob glücklich erfolgtem Frieden, aber in den benachbarten Ämtern Ottersberg und Zeven sich zurückhalten, der weiteren Anforderung meines Nachfolgers überlassen, der auch noch Gele­genheit überkommt, im Dorfe Worpthal die bislang unbesetzten 13 und im Dorfe Südwede 6, überhaupt 19 Bauplätze von 32 Morgen Größe an die sich in der Folge dazu angebende Wirthe auszuweisen."

Ende des Jahres 1765, bzw. Anfang 1766 wollte der neue Amtmann Hintze den Anbauern die Dämme, Schiffsgräben und Abzugskanäle zur Unterhaltung anweisen, doch beschwerten sich diese mit Nachdruck. Sie wollten die Gräben und Dämme erst dann übernehmen, wenn sie in einen solchen Stand gebracht wären, daß sie nur unterhalten werden brauchten.

Der Amtsvoigt Findorff und der Moorvoigt Brünjes überzeugten den Amtmann von der Berechtigung dieser Beschwerde, Die Dämme und Gräben hätten wegen der niedrigen Lage des hiesigen Moordistrikts noch nicht die gehörige Höhe und Breite erhalten können. Eine Nachbesserung auf Herrschaftliche Kosten wäre unbedingt erforderlich. Außerdem müßte diese Arbeit beschleunigt werden, weil die Dämme und Gräben bei der sumpfigen Beschaffenheit des hiesigen Moores immer mehr zusammensinken, und beim Semkengraben der unangenehme Fall eingetreten wäre, daß sich im zurückgelegten nassen Herbst das Moorwasser hinter den zur Passage dienenden sog. Semken-Damm gesteckt, tiefe Kolke eingewühlt und den Damm an verschiedenen Stellen in den Graben geschoben hätte. Die Kosten für die Nachbesserung beliefen sich nach Findorffs Berechnung auf 1270 Reichs­thaler und 69 Grote und wurden kurz darauf von Hannover bewilligt.

Am 31. Januar 1767 wurden die Dämme und Abzugskanäle anteilmäßig an die Neubauern zum Unterhalte verteilt. Jede Dorfschaft

cationsdämme müßten von denen unterhalten werden, denen sie zur Bequemlichkeit gereichten. Den Anteil der noch unbesetzten Stellen möge die Königl. Kammer übernehmen. „Inzwischen werden a) die vor den unbebauten Plätzen in Worphausen, Lüninghausen und Westerwede liegen­ den Teile von den Hauptdämmen und b) der auf die erst mit einem Einwohner besetzte, aber zu 10 Baustellen eingerichtete Dorfschaft Südwede kommende Anteil vom Semken-Graben so lange auf Herrschaftliche Kosten

j unterhalten werden müssen, bis selbige Plätze bebauet sind. Beides wird edoch keine schwere Ausgabe verursachen. Denn, was die Dämme betrifft, so sind es nur 10 Stellen, für welche das Amt bei deren Ausbesserung eintreten muß, und deren Besetzung ich mir also vorzüglich werde angelegen sein lassen, nämlich in Worphausen 2, in Lüninghausen 2 und in Westerwede 6 Plätze. Zwar ist in der Dorfschaft Südwede erst ein Neubauer angesetzt. Weil aber der vor dieser Bau-Linie herlaufende Damm bloß zu eigenem Gebrauch der Dorfschaft dient und keine fremde Passage über denselben geht, so kann er nicht wieder verdorben werden.

Die Dorfschaft Nordwede ist völlig besetzt. Bei der noch ganz unbebauten Dorfschaft Wörpehal (Worpheim?) entfällt eine Ausgabe, weil letztere am Semken Graben zu liegen kommt, der unter die übrigen Dorfschatten verteilt wurde. Dieser Graben wird auch in Zukunft nicht schwer zu unterhalten sein, weil die Ufer desselben, nachdem an beiden Seiten Grüppen gezogen worden sind, sich gesetzt haben, auch das Auftreiben größten Theils aufgehöret hat."

Zur Übernahme der Dämme und Gräben samt den darin liegenden Kümpen und Brücken war aus Südwede der einzige dortige Einwohner Johann Hinrich Manecken erschienen. Ihm wurde eröffnet, daß die Dorf­schaft, wenn sie erst bebaut sein würde, folgende Dämme und Gräben über­nehmen müßte:

  • den Hauptdamm vor der Baulinie mit beiden Gräben, von welchem Comparente soviel, als vor seiner Baustelle lag, übernahm,
  • den Semken-Graben, dessen Dämme und Nebengräben so lang, als der Dorfschaft Feldmark reicht, wozu auch die Vorweide gehört,
  • vom Osterholzer Scheidungsdamm und dazugehörigen Gräben soviel, als davon an der Dorfschaft Moor und Vorweide hergeht, von welchen beiden dem Comparenten sein Anteil zugewiesen werden soll,
  • Schleefs Damm bis an dessen Saatland, den Comparente mit Berend Poppep im Oberende und den Westerwedern in Communion bessert.

Aus der Dorfschaft Nordwede erschienen: Melchior Garves, Johann Siebe, Dierck Geffken, Johann Dierck Helmcken und Albert Kück, hingegen blieben aus:

Johann Gerhard Schneider, Dierck Oldenbüttel, Lütje Bötjer, Johann Bötjer, Berend Haar und Frerk Bunger.

 

Praesentibus wurde eröffnet, daß ihnen die Unterhaltung folgender Dämme und Gräben zur Last fiel:

„a) der Waakhäuser Todten Weg vor ihren Häusern herauf bis an den Worpsweder Berg, jedoch unterhalten die Waakhäuser den jenseitigen

Graben,

  • von dem Wege von Osterholz bis an den „drei Eckten Grentzpfahl" und dessen Graben, soviel als davon an ihrer Dorfschaft und Vorweide hergeht,
  • den Semken Graben und dessen Dämme und Nebengräben, so weit ihre Dorfschaft reicht, welches alles zwischen ihnen in gleichen Flächen verteilt werden solle. womit Comparentes zufrieden waren".

Bei dieser Verteilung der Dämme und Gräben wurde übrigens ein Teil des Verbindungsdammes zwischen Lüninghausen und Torfmoor zur Unter­haltung den Lüninghausern übergeben.

Bis Mai 1767 meldeten sich weitere acht Anbauer in den neuen Moordörfern. Für Nordwede hatten sich entschlossen: Johann Wellbrock, Lütje Böttger und Berend Haar. Für die neuen Moordörfer Nordwede, Südwede und Worpthal (Worpheim?) wurde im August desselben Jahres durch Verträge mit den herrschaftlichen Meyern Rencke Raschen in Mittelbauer und Johann Schleef im Oberende die Möglichkeit einer Ausfahrt in das Kirch­spiel Sanct-Jürgen geschaffen. Die Besiedlung der Lilienthaler Moorkolonien nahm ruhige Formen an. In den meisten Dorfschatten waren die Anbau­ stellen ausgewiesen, nur Südwede und Worpheim hinkten nach. Nur zögernd fanden sich hier im ersten Jahrzehnt die Siedler ein. Bei Antritt der Stellen war kein Stück Land urbar. Ständig drohte das Wasser, das in der geologisch begründeten Landsenkung sich sammelte und nur durch ständig vertiefte Wasserstraßen zu beseitigen war, den mit Riesenfleiß eroberten Saatboden zu ersaufen. So war es kein Wunder, daß viele ursprünglich be­geisterte Anbauwärter ihren Stellen den Rücken kehrten und die Kontrakte brachen. Eingaben an die Königliche Kammer sollten bewirken, daß der Bittsteller vom weiteren Anbau befreit wurde. Ganz energisch wandte sich Amtmann Hintze gegen diese Bittsteller. Das Geld, das sie auf die Bitt­gesuche verwendeten, könnte besser zu Stellung" eines anderen Anbauers gebraucht werden.

Im Oktober des Jahres 1770 meldeten sich vier neue Anbauwillige. Im Januar 1772 konnte endlich an die Kammer in Hannover gemeldet werden, „daß die gesamten 79 Plätze in den 6 neu angebauten Moordörfern nun­mehr ausgethan worden, der größte Teil derselben auch bereits mit Häusern besetzt sey, die noch fehlende Gebäude aber noch in dem bevorstehenden Frühjahr errichtet werden sollen, und daß alsdann sämtliche Neubauern in Zins gesetzet werden können." Die Kammer ließ sich dies „zur wohlgefällichen Nachricht dienen" und erteilte die Genehmigung, daß 6 halbe Saat Moore in Worpheim, die keinen Liebhaber gefunden hatten, mit einer Brinck-Kathe besetzt werden könnte.

Zwei freigewordene Stellen, in Südwede und Westerwede, konnten bis zum Herbst 1772 wieder besetzt werden, so daß alle Stellen besetzt blieben. In diesem Jahr hatte sich Gelegenheit gefunden, einige schlechte Neubauern fortzuschaffen und an deren Stelle nach Hintzes Urteil sehr gute Leute wieder zu erhalten. Man wollte von Amts wegen keine Gelegenheit ver­säumen, die nachlässigen Anbauern aus den neuen Dorfschaften herauszubringen.

Die Besiedlung der Dorfschaften Südwede und Worpheim erfolgte nach den Aufzeichnungen der Südweder Schulchronik wohl durch Häuslinge der benachbarten Geest. Auf der Stelle Nr. 1 in Südwede wurde laut Chronik 1764 das erste Haus erbaut. Der erste Mooranbauer auf dieser Stelle hieß J. H. Mahnken. Nach ihm wurde Südwede Mahnkens Reeg genannt, wie Nordwede nach einem der ersten Siedler Johann Gerd Schneider „Sniederdörp" genannt wurde. Er war Dienstknecht bei einem Amtmann. Als dieser Amtmann nach Lilienthal versetzt wurde, war Mahnken mit nach Lilienthal gekommen. Der Amtmann regte nun seinen Knecht an, sich eine Stelle im Moor zu erwerben. Mahnken kam nun eines Tages mit seiner Frau in unsere Gegend, um sich das Moor anzusehen. An einer Stelle sank die Frau ziemlich tief ein, worauf der Mann ihr wieder heraushalf. Da meinte sie: „Wie kann man hier ein Haus bauen, das geht ja gar nicht". Darauf erwiderte ihr Mann, der Knecht: ja, gerade an der Stelle, wo du eingesunken bist, soll unser Haus stehen". Und daselbst ist es auch gebaut worden. Mahnken machte am Jakobi Tage 1764 zum Hausbau eine Anleihe von 50 Thalern zu 5 0/o Zinsen bei der Kirche in St. Jürgen und baute sein Haus. Er blieb aber vorläufig noch im Dienste beim Amtmann in Lilienthal. Um bei seinem Hause in Südwede etwas Ackerland anzulegen, trug Mahnken häufig des Abends, wenn er nach Haus ging, einen Sack voll Spreu von Lilienthal nach Südwede. Die Spreu vermengte er mit Moorerde, um sich etwas Dünger zu bereiten.

1772 hatten die Südweder 18 Himpten Saatland umgebrochen. Ackerbau gab es also nur in geringem Maße. Es fehlte an Entwässerung, an Vieh und damit an Dünger. Die Mooranbauer waren gezwungen, auf der Geest und in den Marschen um Tagelohn zu arbeiten. Die erste Kuh in unserer Schulgemeinde soll sich der Mooranbauer Harm Wendelken aus Worpheim Nr. 8 zugelegt haben. Er beförderte das Tier wegen der schlechten Wege mittels zweier sog. Flaken (Holzgeflecht) glücklich in sein Haus. Harm Wendelken war vom Dorf Teufelsmoor hierher gekommen.

Die Stelle in Nordwede Nr. 6 übernahm ursprünglich ein Sohn des Bauern Böttjer aus Worpswede, weil er auf diese Weise vom Militärdienst befreit wurde. Alle waffenfähigen Männer waren während des Siebenjährigen Krieges zum Kriegsdienst verpflichtet. Wer aber eine Mooranbaustelle zur Besiedlung übernahm, konnte davon befreit werden. Später, nach Kriegsende, mochte er aber selbst die Stelle nicht besiedeln und übergab sie daher seinem Großknecht Kück, der sich eben verheiratet hatte. Damit besagter Kück um so williger war, die Stelle anzunehmen, baute ihm Böttjer ein Haus und gab ihm 50 Thaler bares Geld dazu. Die Erinnerungen eines Nordweder Einwohn ers geben uns ein sehr anschauliches Bild darüber, wie die ersten Anbauer ihren Lebensunterhalt verdienten. „Vorläufig sind sie als Tagelöhner zur Geest gegangen und haben als Tagelohn nicht bares Geld, sondern Lebensmittel erhalten. Zwischendurch fingen sie an, das Land urbar zu machen, wo der Boden soweit entwässert war, daß er bearbeitet werden konnte. Aber Getreide wuchs nicht auf dem wilden Sumpfboden. Da fing man an, den Boden umzuhacken. Die oberste Schicht wurde in der Frühjahrssonne bald trocken, und das Moor wurde gebrannt. In die warme Asche wurde Buchweizen gesät. Man versuchte es auch mit Roggen, aber der gedieh nur spärlich, Hauptfrucht war Buchweizen. Diese genügsame Pflanze ist aber in ihrem Anbau ziemlich unsicher, da sie unter den Nachtfrösten stark leidet. Darum heißt es im Volksmunde: Buchweizen ist eine Schlumpfrucht und dann Klumpfrucht. Der Moorboden kann aber höchstens drei Jahre hintereinander zum Buchweizenbau gebrannt werden, weil dann die Narbe aufgebraucht ist. Das Land muß dann erst wenigstens 30 Jahre wieder brach liegen, um mit Heidekraut zu bewachsen und eine neue Narbe zu bilden. Die Hofstellen in Nordwede sind aber nur 28-30 Morgen groß. Wenn davon der Hofraum mit Garten abgerechnet wird, dazu noch etwas Roggen- und Kartoffelland, dann bleibt die Fläche zum Abbrennen nicht mehr allzu groß. Die Nordweder haben dann von den Bauern in Worpswede die Erlaubnis erhalten, das denen gehörige Moor, das um den Weyerberg liegt, abzubrennen, und davon ist viel Gebrauch gemacht worden. Im Laufe der Zeit ist aber der Roggenbau mehr in Schwung gekommen, als Vieh mehr angeschafft werden konnte und damit Dünger zur Verfügung war".

Das größte Hemmnis des wirtschaftlichen Aufwärtskommens der neuen Moordörfer waren die nassen Sommer. Dann stand das Vieh in den Ställen aufgeschirrt oder fraß das spärliche Gras der trocken gebliebenen Dämme. In den überschwemmten Hammeniederungen stand das Heu in Gefahr. Hatte man es geerntet, so hinderten die überfluteten Wege, es heimzufahren. Ein böser Gast waren die Frostnächte des Frühjahrs, die kalt und

zerstörend in die Blüten des Buchweizens und des Roggens fielen und in den Hütten den Hunger zu Gast

luden. Sturm und Gewitterschauer walzten das dünnhalmige Korn und machten mehr Mäuse als Vieh und Menschen satt. 1791-1793 gab es drei erbärmliche Hungerjahre. Die sechs Moordörfer wurden völlig entkräftet. In die mutigen Herzen schlich die Verzweiflung. Amtmann Hintze half, indem er den Darbenden die Bremer Brotmagazine öffnete, den Torfhandel und die Hausindustrie belebte. Was das Wetter­ schicksal vernichtete, richteten die flinken Hände der Besen- und Schrubber­ binder, der Holzschuhmacher, der Hanf- und Wollspinner wieder auf und brachten den fehlenden Groten für das tägliche Brot. Die Entwicklungs­ geschichte der Lilienthalschen Moorsiedlungen ist reich an traurigen Siedler­ schicksalen. Die Schwere der Stellenentwicklung mögen die Listen der Siedler in Nordwede, Südwede und Worpheim aus den Jahren 1762, 1772 und 1792 zeigen.

Nordwede

 

1762

1772

1792

 

 

1. Gevert Feldhusen

1. Otto Mancke

1. Otto Mancken

 

2. Joh. D. Helmcken

2. Joh. Gert Schneider

2. Harm Vagt

 

3. Johann Poppen

3. Melchior Garwes

3. Melchior Garves

 

4. Frerck Bunger

 

4. Dierk Sibe

 

5. Dierck Oldenbüttel

5. Joh. Wellbrock

5. Joh. Wellbrok

 

6. Johann Bötjer

6. Lütje Böttjer

6. Jürgen Haar

 

7. Lütje Bötjer

7. Joh. Kück

7. Joh. Kück

 

8. Berend Haar

8. Berend Haar

8. Berend Haar

 

9. Johann Brünjes

9. Frerk Bunger

9. Frerk Bunger

 

10. Melchior Garves

10. Dierk Gefken

10. Dierk Gefken

 

11. Joh. G.Schneider

11. Joh. Dierk Helmken

11. Joh. Dierk Helmken

 

 

12. Albert Kück

12. Joh. Kück

 

 

 

 

 

S ü d w e d e

 

 

1. Joh. Hinrich Mancke

1. Joh. Hinrich Mancke

 

2. Mathias Voß

2. Albert Schnaars

 

3. Dierk Mencken

3. Dierk Mencken

 

4. Marten Monsees

4. Hinr. Schmonsees

 

5. Jürgen Böttjer

5. Christian Meyerdierks

 

6. Albert Schnaars

6. Joh. Berend Schlüter

 

7. Hinr. Wendelken

7. Gätje Helmken

 

8. Jürgen Stelljes

8. Jürgen Stelljes

 

9. Dierk Kück

9. Kücks Witwe

 

10. Johann Monsees

10. Johann Monsees Wwe

 

 

 

W o r p h e i m

1762

1772

1792

1. Joh. H. Manecke

1. Marten Kück

1. Marten Brünjes

2. Cord Knoop

2. Johann Grimm

2. Johann Grimm

 

3. Harm Kück

3. Harm Kück

 

4. Joh. Christian Mancke

4. Dierk Semken

 

5. Harm Wendelken

5. Harm Wendelken

 

6. Joh. Wendelken

6. Dierk Kück

 

7. Joh. Hinrich Wellbrock

7. Friedrich Stelljes

Die Gegenüberstellung der Verzeichnisse zeigt, dass ein großer Teil der Stellen den Namen gewechselt hat. Welches Schicksal sich hinter diesem Namenswechsel jeweils verbirgt, teilen die Listen nicht mit, doch erscheint erscheint ein weiteres Verzeichnis von 1763 aufschlußreich, das ausdrücklich bemerkt, daß aus Nordwede die Siedler Gevert Feldhusen von Waakhausen, Frerk Bunger von Mittelbauer, Dierck Oldenbüttel, Lütje Bötjer, Berend Haar und Johann Brünjes von Worpswede zurück wollen ziehen, desgleichen aus Worpheim Cord Knoop und Lüder Schröder.

 

Die Entwicklung im 19. Jahrhundert

Wer von den Kolonisten gesund an Leib und Seele die Jahrhundertwende überstand und durch die mannigfachen Anfechtungen der napoleonischen Fremdherrschaft glücklich hindurchsteuerte, gewann Aussicht, auf der Stelle zu bleiben und in den festen Siedlerstamm eingereiht zu werden. Die Folgen dieser französischen Fremdherrschaft wirkten sich in der Koloni­ sation einmal durch verminderte Staatszuschüsse und zum anderen für den einzelnen Kolonisten dadurch aus, daß er hohe Kriegssteuern bezahlen mußte. Den einzigen Halt hatten die Moorbauern an dem Moorkommissar Findorff, der ohne einen Pfennig Gehalt zu beziehen, unerschrocken und opfermutig im Kolonisationsgebiet tätig war. Schlimm war, daß mit dem verfallenden Torfgewerbe eine der wenigen Einnahmequellen versiegten. Glücklicherweise blieb das Moor von Einquartierungen und überhaupt von den Lasten des Krieges mehr verschont als die Geest. Die abseitige Lage schützte es vor den vielen Leiden, die die an den Straßen gelegenen Dörfer von den regulären Truppen und noch mehr von den marodierenden, hun­ gernden und verrohten Soldatenhaufen zu erdulden hatten. Erst der geplante Rußlandfeldzug brachte auch hier für unsere Dörfer einen unglückseligen Wandel. Da Napoleon Soldaten für sein neues Abenteuer brauchte, begann man auch in den Moordörfern mit der Aushebung der 20-25jährigen Bauernjungen. Als Grundlage für die Aushebungslisten dienten die Kirchenbücher. Als 1811 die Kommissionen für den Feldzug nach Rußland neue Konskribenten auszuheben begannen, setzte die Desertion in großem Stil ein. Man versteckte sich in unzugänglichen Schlupfwinkeln des Moores, baute in die Niederungen Höhlen und vermauerte Gelasse, wo man unter Einsatz der Gesundheit oder gar des Lebens die schwere Zeit der Aushebung und Verfolgung zu überstehen hoffte. So streckte die Furie des Krieges ihre Arme bis in die letzte Moorhütte. In Schriftstücken der da­ maligen Zeit wurde Worpswede wiederholt als der wahre Zufluchtsort aller Ausreißer bezeichnet. Jede Hilfe, die den Flüchtigen irgendwie von Freun­ den und Verwandten geleistet wurde, verfiel schwerer Strafe. Zuletzt wurde die Suche nach ihnen zu einer Art Menschentreibjagd organisiert. Immer strenger wurden die Repressalien. Die Eltern der Flüchtigen wurden ein­ gesperrt, ihre Häuser niedergerissen, die Zurückführung der Entwichenen mit großer Belohnung bedacht.

Nach der Franzosenzeit ging die Entwicklung der Lilienthaler Moor­ kolonien durch eine Reihe ruhiger Jahre. Von den Interessentendörfern der Semkenfahrt (Westerwede, Südwede, Nordwede, Worpheim und Mooringen) heißt es 1825 in einem Bericht des Amtes Lilienthal-.

„Der Nahrungszweig ist der Torfstich, nebenher und in geringem Maße Tagelohn bei den Hausleuten in Worpswede, Waakhausen, Niederende, Mittelbauer und Oberende, Handwerk, Kälbermästen und Hanfspinnen zu Bindegarn. Der Kornbau dient dem eigenen Bedarf." Südwede hatte vor gewiesenes Moorland. Davon waren 78 Morgen in Kulturzustand gebracht worden, und zwar 73 Morgen zu Saatland und 5 Morgen zu Grünland. Südwede hatte von 340 Morgen Moorland 63 Morgen zu Saatland und 8 Morgen zu Grünland kultiviert, während Worpheim 50 Morgen Saatland und 6 Morgen Grünland bei 225 Morgen ausgewiesenem Moorland aufzu­ weisen hatte. Wenn die tabellarische Nachricht vom Zustande der Moor­ kultur der Landdrostey Stade stimmt, dann gab es 1827 in Nordwede 49, in Südwede 32 und in Worpheim 29 Stück Hornvieh. Für Worpheim wurde außerdem ein Pferd gemeldet. Im Verlauf von 25 Jahren war in Südwede die Saatlandflächen verdoppelt worden.

1835 war von dem ausgewiesenen Lande erst ungefähr ein Viertel zu Saat- und Grünland zugebrochen. Es gab in den Moorkolonien noch kein einziges Pferd. Es mangelte an Dünger, da wegen Mangels an Gräserei der erforderliche Kuhstapel nicht gehalten werden konnte. Das Heu wurde auf Kähnen herbeigeholt. „Torfbetrieb ist die wichtigste Angelegenheit und wird es wohl auch noch, wenngleich diminuendo, für das gegenwärtige Jahr­ hundert verbleiben. Die Ursache des Torfpreisfalls sind 1. die wachsende Zahl der Moorkolonien und 2. die Schmälerung der Zahl der Torfkon­ sumenten durch den Gebrauch der englischen Steinkohle. Beispiele von Wohlstand sind nicht anzutreffen. Es gibt nur wenige, deren Schulden dem Werte des Allodii nicht gleichkommen, und es vergehen kaum drei Wochen, daß von den zirka 180 Moorkolonisten nicht jemand ein Kapital aufnähme. Daß die Bewohner je zu Wohlstand gelangen könnten, dazu hegt man wenig Hoffnung. In den meisten Dörfern liegt die unter dem Torf liegende Sandschicht zu hoch, um angemessen bewässert werden zu können. Dow hofft man, daß zu Südwede, Mooringen und Moorende Wiesen und Be­wässerung sich ins Werk setzen lassen, wodurch sich die Aussichten für diese drei Ortschaften günstig gestalten. Aus diesem Grünlandsmangel und der Kleinheit der Kolonate (30 Morgen) schließt man, daß die Art der Wirt­ schaft unbespannt bleiben wird. Eine Vergrößerung der Kolonate kann im Amte Lilienthal nicht stattfinden, da keine weiteren herrschaftlichen Moore zur Disposition stehen. Kolonate, die zur Ackerwirtschaft gelangt sind, sind zur Zeit nicht anzutreffen. Die Moorkonfrenz von 1826 hat grundsätzlich gefordert, daß jede Stelle 50 Morgen halten muß. Es bleibt noch des Indu­ striezweiges der Kälbermast zu erwähnen. Die Kälber werden in Bremen gekauft, einige Wochen gemästet und dann wieder zur Stadt gebracht."

Die Schulchronik berichtet in diesem Zusammenhang ähnliches, nämlich, daß fleißig Torf gegraben und Schiffe angeschafft wurden, um die Torf­schiffahrt nach Bremen zu betreiben. „Damit hatte die Tagelöhnerei unserer Leute auf der benachbarten Geest und in den Marschen bald ein Ende. Auch wurde nun Hanf gesät, von den Frauen und Mädchen des Abends beim Herdfeuer oder beim Lichte des Thrankrüsels gesponnen und Leinewand daraus gewebt." Aus dem Jahre 1890 berichtet der Chronikschreiber: „Hauptbeschäftigung unserer Bewohner ist Ackerbau und Viehzucht. Da­ neben wird von den meisten Familien mehr oder weniger Torfgräberei getrieben. Auf dem Acker werden besonders Roggen und Kartoffeln an­ gebaut, daneben im sogenannten Hofe Gemüse, Futterkohl und Runkel­ rüben. Der Roggen gedeiht gut, was Stroh anlangt, aber er ist nicht ergiebig an Körnerertrag. Daher müssen die meisten Familien Roggen zum Bedarf zukaufen. Die Kartoffeln gedeihen gut, ebenso das Gemüse. An Vieh werden Kühe, Schweine, Schafe und Hühner gehalten. Einige Stallbesitzer haben auch ein Pferd, einer hat zwei. Der meiste Ertrag aus der Viehzucht wird durch das Mästen von Kälbern erzielt. Dieselben werden nebst den fetten Schweinen nach Bremen verkauft.

Die Torfgräberei hat gegen früher bedeutend abgenommen, weil es den meisten Mooranbauern an Torfmoor fehlt. Das Torfmacken beginnt Anfang Mai und dauert bis Johanni. Die Verschiffung des Torfes beginnt Ende September und dauert bis Ende Oktober. — Der Gewerbebetrieb wird hier durch einen Müller, 2 Viehhändler, 3 Schuhmacher und 3 Hausschlachter ausgeübt."

Das 19. Jahrhundert brachte für die Kolonisten drei wirtschafts­ politische Ereignisse von schwerwiegender Bedeutung: 1. die in Südwede um 1840 durchgeführte Anlage von Land-Katastern, 2. die um die Mitte des Jahrhunderts beginnende Ablösung, die den Kolonien die Befreiung vom Meyerrecht und damit die Unabhängigkeit bescherte, und 3. die aus der Wissenschaft geborene Kunstdüngerindustrie, der die Moordörfer ihren schnellen und wirkungsvollen Aufstieg verdanken. Die Katastrierung bildete die Grundlage für eine neue Steuergesetzgebung und machte mit dem Ausbau landeskultureller Verbesserungen und Reformen die Bahn frei für eine sichere wir tschaftliche Entwicklung.

Der Ausbau der Wasserstraßen im 19. Jahrhundert brachte der Torfschiffahrt große Erleichterungen. Die Interessenten der

1 Die Hammefahrt fuhren die Hamme hinunter, dann entweder die Lesum abwärts bis Vegesack oder die Wümme aufwärts bis Dammsiel. Sie kamen mittels eines Oberzuges über den Blocklander Deich in die kleine Wümme und durch einen Ent­ wässerungsgra ben in die Stadt Bremen. Das war eine lange und beschwerliche Fahrt, die im Bogen und Zickzack ging. 1817/19 wurde sie durch den Sankt-Jürgens-Kanal verkürzt. 1868/70 ist den Interessenten der Semken­fahrt, die am allerschlimmsten daran waren, mit Unterstützung der Regie­ rung die sog. neue Semkenfahrt gegraben worden, die in Worpheim von von jener abzweigte. Der neue Kanal führte an der Gastwirtschaft Lütjen vorbei in fast gerader Richtung über die Wümme in die kleine Wümme. Bremen hatte 1817 den erwähnten Entwässerungsgraben erweitert; er hieß seitdem „Neuer Torfkanal". 1865 vertiefte man ihn noch und richtete, um die Verladung zu erleichtern, ein Torfbassin an der Neukirchstraße ein. Nicht weniger als 18 000 Schiffe kamen 1875 nach Bremen.

Als Erleichterung für die Torfschiffahrt muß auch die Erfindung der Klappstaue durch den Moorkommissar Witte genannt werden. Die Stauung des Wassers wurde durch eine Klappe veranlaßt, die von den Schiffen, wenn sie darüber hinwegfuhren, niedergedrückt und dann durch das Ober­wasser wieder aufgerichtet wurde.

Auch im 19. Jahrhundert gab es für unsere Moordörfer noch schlimme Krisenzeiten zu überwinden. Manche Moorbauernstelle mußte insbesondere in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts Konkurs anmelden. Die Folgen von Mißernten oder auch die Schulden, die wegen der Ablösung aufgenommen wurden, belasteten die Höfe zu sehr. Diese Krisenzeiten haben die Aufwärtsentwicklung sehr verzögert, aber schließlich wurde auch diese Zeit mit Fleiß und Sparsamkeit und mit staatlicher Hilfe über­ wunden. Von Seiten des Staates trat immer mehr der Gedanke in den Vordergrund, daß der Moorkolonist zu einer mehr geordneten und intensiv betriebenen Landwirtschaft unter tunlichster Beschränkung der Brandkultur erzogen werden müsse. Diese Auffassung wirkte erst unter der 1866 beginnenden preußischen Herrschaft auf die ganze Moorkulturarbeit ein. Preußens Bemühungen, ein endgültig lohnendes Verfahren zur Erschließung des Moores zu finden, führten zur Gründung der Zentralmoorkommission und der Moorversuchsstation in Bremen. Die Arbeiten dieser Institutionen führten zu besseren Einsichten über das Entwässerungs- und Düngerbedürfnis der Moore. Die Bremer Versuchsstation richtete eine große Zahl von Lehr- und Beispielfeldern und sogenannte Musterwirtschaften her, die zur Nachahmung reizten und die Moorkultur der letzten Jahrzehnte auf allen Gebieten ungemein befruchtete.

Die Entwicklung der letzten Jahrzehnte

Die bis zur Jahrhundertwende mit Zähigkeit und Hingabe geleistete Arbeit am unkultivierten Boden wurde mit demselben Fleiß und Eifer fort­ gesetzt. Es ist der Gunst der Umstände zuzuschreiben, daß die Entwicklung der Kunstdüngerindustrie zeitlich mit den Arbeiten der Moorversuchstation zusammenfiel. Der Übergang zur Agrarwirtschaft, der sich im vorher­ gehenden Jahrhundert nur allmählich vollziehen konnte, wurde durch die Einführung des Kunstdüngers in starkem Maße vorangetrieben. Die Ernte­ erträge an Kartoffeln, Roggen und Hafer konnten wesentlich gesteigert werden. Verkaufsmöglichkeiten von Kartoffeln und anderen landwirtschaft­ lichen Erzeugnissen waren durch die Nähe Bremens gegeben und konnten bis heute weitgehend ausgebaut werden.

Nach Eingang der Technik auch in unserem Moorgebiete schreitet heute alles in einem schnellen Tempo voran. Zeit- und kraftsparende Maschinen in Haus und Hof sind bei allen Arbeiten eingesetzt, soweit nicht der weiche Moorboden diesem Einsatz Grenzen setzt. Für eine rationelle Bewirtschaftung sind sie heute nicht mehr wegzudenkende wertvolle Hilfen für die Moorbauern geworden. Fehlende und teure Arbeitskräfte zwingen auch den Moorbauern zum Einsatz von Maschinen. In welchem Maße die Betriebe in der notwendigen Mechanisierung vorankamen, zeigen die Zahlen für vorhandene Geräte und Maschinen zu Beginn des Jahres 1964 in

Nordwede: 8 Trecker, 3 Gebläse, 6 Heuma, 2 Mähbinder, 9 Autos; Südwede: 7 Trecker, 3 Melkmaschinen, 3 Gebläse, 6 Heuma, 1 Mäh­ binder, 18 Autos;

Worpheim: 9 Trecker, 1 Melkmaschine, 2 Gebläse, 7 Heuma, 1 Mäh­ werk, 11 Autos.

Die Zahl der Pferde beträgt dagegen in Nordwede 11, Südwede 7 und Worpheim 6.

Der Lebensstandard hat sich während der letzten Jahrzehnte wesentlich gehoben. Geblieben sind Zielstrebigkeit im Vorankommen und eine zähe, ungebrochene Arbeitskraft als Erbgut der Väter und Vorväter.

Ein bemerkenswertes Ereignis für Worpheim und Westerwede war die Versorgung mit elektrischen Licht im Jahre 1928. Südwede folgte erst einige Jahre später, weil man sich im oberen Teil des Dorfes nicht einig werden konnte.

Ein Wandel vollzog sich auch auf dem Gebiete des Verkehrs. Die Bauern hatten in den sechziger Jahren des 19. Jahrhunderts die große Mühe nicht gescheut, die sog. neue Semkenfahrt quer durch Worpheim und das S--Jürgen-Land zu bauen. Man hoffte, den Torf auf diesem Wege schneller nach Bremen bringen zu können. Dieser Kanal hat die große Mühe im Ver­ gleich z- seiner kurzen Lebensdauer wohl kaum gelohnt. Das 20. Jahr­ hundert brachte die allmähliche Wende. Immer mehr Pferde kamen, beson­ders durci den Ankauf der billigen Armeepferde nach dem 1. Weltkrieg.

Entsprechend ging die Schiffahrt immer weiter zurück. Die Moore waren langsam entwässert worden. Der Wasserspiegel wurde gesenkt, und das Los der Schiffahrt war besiegelt. Nun galt es aber mehr als früher, die Wege auszubauen. Die Arbeit, die bisher die Wasserwege verlangt hatten, mußten nun um so mehr für den Ortsdamm geleistet werden. Zudem kam man von der Torf- auf die Vieh- und Landwirtschaft. Es wurde immer mehr Land urbar gemacht, und das erforderte mehr Pferdegespanne. Nach dem 1. Weltkrieg waren diese dann fast auf jedem Hof. Nun sah man seitens der Regierung ein, daß hier im Moor etwas getan werden mußte. Man wußte, daß die bisherigen Sandwege nicht mehr genügten und daß zumindest die Hauptverbindungswe ge nach Bremen mit Steinen befestigt werden mußten. So sollte ein Ersatz für eingegangene Wasserwege geschaffen werden. Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang der Bau der Steinstraße Lilienthal-Ritterhude zu Beginn des Jahrhunderts und auch die Eröffnung der Autoverbindung von Worpswede nach Worphausen. Diese ständige Verbindung wurde durch die beiden Eisenbahnlinien Bremen-Tarmstedt und Bremervörde-Osterholz am 19. 3. 1928 eröffnet. Kurz vor Beginn des 2. Weltkrieges wurde die Straße Worpswede-Osterholz gebaut und der Worpheimer Damm besandet. Die Einwohner Nord- und Südwedes sind froh, daß sie dasselbe seit 1963, bzw. 1964 auch von ihren Dorfdämmen sagen können. Die Pflasterung des Worpheimer Dammes fand 1958 ihren Abschluß.

Die staatlichen Maßnahmen zur Schaffung lebensfähiger bäuerlicher Betriebe in unserem Moorgebiet fanden in diesem Jahrhundert ihren Fortgang. Zum Zwecke der Sanierung des Teufelsmoores wurde in den 40er Jahren der „Wasser- und Bodenverband Teufelsmoor" ins Leben gerufen. Er hatte sich den weiteren Ausbau des von Findorff angestrebten und eingerichteten Entwässerungssystems zum Ziele gesetzt. Die seit dieser Zeit durchgeführten Maßnahmen auf dem Gebiete des Wasserbaues sollen zur weiteren wirtschaftlichen Entwicklung beitragen und werden sich sicher zum Segen des gesamten Moorgebietes auswirken.

Der Fortgang der Kulturarbeit am heimatlichen Boden wurde unter­brochen durch die beiden Weltkriege, die auch in unseren Moordörfern schmerzliche Lücken hinterließen. Das dörfliche Leben hatte um die Jahr­ hundertwende bereits festgefugte Formen angenommen. Während der Wintermonate klapperten in den Stuben die Webstühle, surrten die Räder in den Spinnstuben, wo man sich, wohl arbeitend, aber bei gutem Klöhn­ schnack, Kartenspiel und Singen die Zeit vertrieb. So wurden die Bande der Nachbarschaft und der Dorfgemeinschaft immer mehr gefestigt. Es bildeten sich ungeschriebene Gesetze, an denen heute noch treu festgehalten wird. Sie wirken sich besonders als eine wertvolle und gleichzeitig not­ wendige Nachbarschaftshilfe aus. In Freud und Leid wird dem Nachbarn und Nächsten nach Können und Vermögen Beistand und Hilfe geleistet.

Der zweite Weltkrieg brachte mit seinem Zusammenbruch auch unsere Dörfer mit der Not in Berührung. Abgesehen davon, daß in der letzten Phase des Krieges wegen der immer häufiger werdenden Fliegeralarme Unterbrechungen des Unterrichts an der Tagesordnung waren, setzte hier in den letzten Monaten des Krieges der große Zustrom von Flüchtlingen aus dem Osten ein. Die vielen Menschen mußten untergebracht, verpflegt und bekleidet werden. Nicht nur auf jedem Hof wurden Flüchtlingsfamilien untergebracht, sondern auch die Schulstube in Südwede wurde mit diesen bedauernswerten Menschen belegt. Der Verlust der Heimat, die geringen Erwerbs- und Verdienstmöglichkeiten und die schlechte Ernährungslage während der ersten Nachkriegszeit ließen bei manchem Heimatvertriebenen ein Gefühl der Verbitterung aufkommen. Aber auch hier wurde Not ge­lindert, wo sie gelindert werden konnte. Erst nach Jahren konnten sich die Verhältnisse durch Regelung der Renten- und Fürsorgezahlungen und durch Inkrafttreten des Lastenausgleichs bessern. Die meisten Ver­ triebenen wanderten nach der Währungsreform in Gegenden ab, in denen bessere Arbeitsmöglichkeiten gegeben waren. Einige aber fanden in Nord­ wede, Südwede und

Worpheim eine neue Heimat.

Bis zum Jahre 1929 waren die Ortschaften Nordwede, Südwede und Worpheim selbständige politische Gemeinden. Auf Beschluß des preußischen Staatsministeriums vom 18. Januar 1929 wurden die genannten Gemeinden zusammen mit Wörpedahl und Weyermoor mit Wirkung vom 1. April 1929 zu einer Gemeinde vereinigt, die den Namen Worpheim führte. Um den Willen der Bevölkerung hatte man sich dabei kaum gekümmert. Diese war mit der Zusammenlegung durchaus nicht einverstanden. Ihre Proteste kamen aber nur bis zum Regierungspräsidenten. Die Abneigung gegen die Zu­ sammenlegung der fünf Ortschaften kam auch in der Bezeichnung „Ver­ einigte Staaten" zum Ausdruck. Am 1. Oktober 1936 wurde laut Verfügung des Regierungspräsidenten die bisherige Gemeinde Worpheim aufgelöst und der Großgemeinde Worpswede angegliedert. Wiederum wurde diese Maß­ nahme allgemein bedauert, unter anderem auch deshalb, weil unsere Gemeinde infolge guter Verwaltung durch Bürgermeister Gieschen (Worp­heim) keine Schulden, wohl aber ein kleines Vermögen besaß.

Zu den Schulverhältnissen meldet unsere Schulchronik, daß ein Schul­ gebäude zunächst nicht vorhanden war, daß vielmehr eine Stube gemietet und darin unterrichtet wurde. Da der Lehrer Harm Brünjes im Jahre 1827/28 im Hause Nr. 1 in Südwede unterrichtete, müssen wir annehmen, daß in diesem Hause die erste Schulstube gewesen ist. Wahrscheinlich bekam der erste Lehrer in Südwede 10 Thaler Lohn im Jahr, denn von dem Nach­barkollegen in Westerwede ist es bekannt, daß er diese Summe zu Anfang des 19. Jahrhunderts erhielt. Das Einkommen ist wohl durch Schulgeld auf­ gebracht worden. Die Südweder Schule war eine Nebenschule und ist bis zum heutigen Tage einklassig geblieben. Unterrichtsgegenstände waren das Bibellesen, das Auswendiglernen des großen und kleinen Kathechismus, desgleichen eine Anzahl von Gesängen, sowie Rechnen, Schreiben und Lesen. Die Hauptarbeit bestand im Auswendiglernen der Schüler und im Hersagen ihrer Lektion. Die Zahl der wöchentlichen Unterrichtsstunde betrug im Winter 30 Stunden. Eine Sommerschule hat wohl kaum bestanden. Im Jahre 1844 betrug das Diensteinkommen des Lehrers 15 Thaler und Reihetisch. Im Jahre 1870 erhöhte es sich auf 120 Thaler mit Einschluß der Dienstwohnung, wofür 15 Thaler, und des Reihetisches, wofür 20 Thaler ab­ gerechnet wurden. 1873 wurde von der Behörde der Reihetisch aufgehoben und das Stelleneinko mmen auf 160 Thaler erhöht. Kurze Zeit darauf wurde das Gehalt auf M 750,— heraufgesetzt. Am 27. Juli 1893 stieg das Diensteinkommen auf M 800,— und am 2. Oktober 1893 auf M 900,—. Im Sommer 1898 wurde das Grundgehalt auf M 1000,— festgesetzt. Im Jahre 1873 wurde der Lehrplan um die „weltkundlichen" Fächer Erdkunde, Weltgeschichte, Naturgeschichte und Naturlehre erweitert. Auch Zeichnen und Nadelarbeit wurden neu aufgenommen. Der Stundenplan für die Sommerschule umfaßte um diese Zeit 16 Stunden, seit Ostern 1895 24 Stun­ den wöchentlich. Das erste Schulhaus wurde im Jahre 1852 erbaut. Es war aus Fachwerk hergestellt und mit Stroh gedeckt. Es enthielt eine Wohnung für einen ledigen Mann, Unterrichtszimmer und Stallung. Der Schulbesuci, war während der Winterschule regelmäßig, wenn keine Krankheiten vor­ kamen. Dagegen ließ er im Sommer besonders während der Heuernte noch viel zu wünschen übrig. Durch Verfügung vom 19. März 1909 wurde festgesetzt, daß alle einklassigen Schulen, in denen nicht herkömmlicherweise auch im Sommer voller Unterricht gegeben wurde, als Halbtagsschulen behandelt werden sollten. In Südwede hatten Ober- und Mittelstufe von 7 bis 11 Uhr und die Unterstufe von 10 bis 12 Uhr Unterricht. Im Jahre 1904 war die Schülerzahl auf 62 gestiegen. In der Stunde von 10 bis 11 Uhr, in der alle Kinder anwesend waren, saß die Unterstufe in allen Schreib-, Diktat- und Aufsatzstunden auf dem Fußboden. Die Unzugänglichkeit dieser Verhältnisse wurde allgemein anerkannt und der Bau einer neuen Schule angestrebt. Nach langem Hin und Her wurde endlich im Jahre 1910 das jetzige Schulhaus erbaut und im November eingeweiht.

Rund 200 Jahre sind vergangen, seit die ersten Siedler begannen, sich in unwegsamer, sumpfiger Wildnis niederzulassen und in jahrzehntelanger, mühevoller Arbeit eine Lebensgrundlage zu schaffen. Stück um Stück des sumpfigen Moores wurde mit opferbereiter Kraft in fruchtbringendes

Kulturland verwandelt. Die wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahr­zehnte fand sichtbaren Ausdruck im äußeren Bild der Moordörfer. Zähig­ keit und Ausdauer haben das Werk der Moorkultivierung zum Erfolg geführt. Mögen mit Gottes Hilfe auch die Aufgaben gelöst werden, die im neuen Jahrhundert an die Menschen unserer Heimat herantreten werden.

Für die Abfassung dieser Siedlungsgeschichte der Moordörfer Nordwede, Südwede und Worpheim lagen vor:

  • Karl Lilienthal, Jürgen Christian Findorffs Erbe
  • Acta, dem Mooranbau im Langen Moore betr.
  • Wilhelm Ehlers, Die Besiedlung der Moorgebiete in den Niederungen der Wümme, Wörpe, Hamme und der mittleren Oste
  • J. H. Müller, Das Teufelsmoor
  • Festschrift zur 200-Jahrfeier Heudorf
  • Festschrift zur 200-Jahrfeier Rautendorf
  • Festschrift zur 200-Jahrfeier Schmalenbeck
  • Register der Kirchenstände zu Worpswede
  • Die Schulchronik der Schule Südwede

Lebenserinnerungen des Hauptlehrers Wellbrock aus Nordwede

Aus "200 Jahre FINDORFF-DÖRFER Südwede Norwede Worpheim"

Herausgeben vom Festausschuss der Ortsteile Nordwede, Südwede, Worpheim, 1964

 

 

 

 

 

Über uns | Disclaimer | ©2008